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Evakuierung aus Kabul kommt auf Touren
Auslandseinsatz soll heute vom Bundeskabinett und kommende Woche vom Bundestag beschlossen werden
Frankfurt. Die Evakuierung von Deutschen und afghanischen Ortskräften aus Kabul kommt auf Touren. In Frankfurt am Main landete am frühen Mittwochmorgen eine Lufthansa-Maschine mit rund 130 Evakuierten. In Kabul startete zudem am Dienstagabend ein dritter Evakuierungsflug mit 139 Menschen an Bord, wie Außenminister Heiko Maas (SPD) mitteilte. Die Maschine landete in der Nacht zum Mittwoch in Taschkent. Bereits am Dienstag waren in Berlin erste evakuierte Mitarbeiter der Botschaft in Kabul angekommen.
Die militant-islamistischen Taliban hatten Afghanistan in rasantem Tempo unter ihre Kontrolle gebracht und am Sonntag faktisch die Macht in dem Land übernommen. Viele Länder - darunter Deutschland - versuchen so schnell wie möglich eigene Landsleute und Afghanen auszufliegen, die etwa für die Streitkräfte anderer Staaten oder internationale Organisationen tätig waren und nun Racheaktionen der Taliban befürchten.
Den Entwurf für den Evakuierungseinsatz der Bundeswehr will das Bundeskabinett am Mittwoch (9.30 Uhr) beschließen. In der kommenden Woche soll der Bundestag entscheiden. Da die Aktion bereits läuft und auf breite Zustimmung stößt, gelten beide Entscheidungen als Formsache - dennoch muss das Parlament einen solchen offiziell neuen Auslandseinsatz nach Ende des Nato-Mandats in dem Land billigen. Der Entwurf, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, sieht den Einsatz von bis zu 600 Soldaten bis spätestens 30. September vor. Die Zusatzausgaben für die Bundeswehr werden mit 40 Millionen Euro veranschlagt.
Es handelt sich um ein sogenanntes robustes Mandat, dass auch den Einsatz militärischer Gewalt erlaubt, »insbesondere zum Schutz der zu evakuierenden Personen und eigener Kräfte, sowie im Rahmen der Nothilfe«.
Mit der Lage in Afghanistan wollen sich am Mittwoch auch der Verteidigungsausschuss des Bundestages (13.00 Uhr) und der Auswärtige Ausschuss (11.30 Uhr) befassen. Die Opposition hatte in den vergangenen Tagen die Bundesregierung heftig kritisiert. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) räumten ein, die internationale Gemeinschaft habe die Lage in Afghanistan falsch eingeschätzt und ihre Ziele bei dem Einsatz nicht erreicht.
Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer will als Konsequenz aus dem Afghanistan-Einsatz die Auslandseinsätze der Bundeswehr überprüfen. »Wir müssen aus diesem Einsatz unsere Lehren ziehen. Deshalb werden wir die anderen Auslandseinsätze der Bundeswehr dahingehend überprüfen, ob wir gut aufgestellt sind und was wir möglicherweise besser machen müssen«, sagte die CDU-Politikerin der »Rheinischen Post« (Mittwoch).
US-Militär fliegt mehr als 3200 Menschen aus Afghanistan aus
Das US-Militär hat derweil mehr als 3200 Menschen aus Afghanistan ausgeflogen. Allein am Dienstag seien mit 13 Flügen rund 1100 Menschen in Sicherheit gebracht worden, sagte ein Vertreter des Weißen Hauses, der anonym bleiben wollte. Die US-Luftwaffe kündigte eine Untersuchung der chaotischen Ereignisse am Flughafen von Kabul vom Montag an.
Zum Start der Evakuierungsflüge am Montag war es auf dem Flughafen von Kabul zu chaotischen Szenen gekommen. Tausende Menschen versuchten, an Bord von startenden Maschinen zu gelangen. Afghanische Medien berichteten, dass mehrere Menschen starben, als sie von startenden Flugzeugen herabfielen.
Die Ermittler werteten derzeit Videoaufnahmen aus, auf denen mutmaßlich zu sehen sei, wie mindestens zwei Afghanen aus einem US-Transportflugzeug stürzen, erklärte Luftwaffen-Sprecherin Ann Stefanek am Dienstag. Nach der Landung in Katar sei zudem eine Leiche im Fahrwerkschacht des Flugzeugs entdeckt worden. Auch Beiträge in den Onlinemedien würden in die Untersuchung einbezogen.
Die Maschine sei in Kabul gelandet, um Ausrüstung für die Evakuierungen zu liefern. Noch bevor diese abgeladen werden konnte, hätten hunderte Menschen das Flugzeug umringt, erklärte die Sprecherin. »Angesichts der sich rapide verschlechternden Sicherheitslage um das Flugzeug herum hat die Besatzung beschlossen, den Flugplatz so schnell wie möglich zu verlassen.«
Moskau wartet ab - Russland reagiert betont gelassen auf den Sieg der Taliban - und verstärkt gleichzeitig die Terrorabwehr in Zentralasien
Borrell: EU wird mit den Taliban sprechen müssen
Die Europäische Union wird nach den Worten des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell mit den radikalislamischen Taliban in Afghanistan Gespräche führen müssen. »Die Taliban haben den Krieg gewonnen, also werden wir mit ihnen sprechen müssen«, sagte Borrell am Dienstag nach einem Dringlichkeitstreffen der EU-Außenminister. Dies bedeute nicht, dass ihre Herrschaft schnell offiziell anerkannt werden müsse.
Die EU werde »so schnell wie nötig in einen Dialog treten, um ein humanitäres und potenzielles Flüchtlings-Desaster« zu verhindern. Dabei werde es auch um die Mittel gehen, um eine Rückkehr ausländischer Terroristen nach Afghanistan zu vermeiden, fügte Borrell hinzu. »Das ist keine Frage offizieller Anerkennung, es ist eine Frage des Umgangs mit ihnen.«
Die EU müsse außerdem mit den Taliban sprechen, um zu erreichen, dass afghanische Ortskräfte der EU und ihre Familien den Flughafen von Kabul erreichen könnten. Zur Sicherstellung der Ausreise von Zivilisten aus Afghanistan verhandeln auch die Regierungen Deutschlands und der USA direkt mit den radikalislamischen Taliban. Agenturen/nd
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