- Kultur
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Die Klassenfrage und der Pop
Die CD der Woche: Fehler Kuti: »Professional People«
Mit am Erstaunlichsten am Streit um Klassenkampf und Identitätspolitik ist, wie undialektisch der angebliche Gegensatz oftmals selbst von Leuten gefasst wird, die es besser wissen könnten. Das eine soll das andere ausschließen und Punkt. Die vorgeblich naive Frage »Why don’t we have both?« wäre ein Ansatz, um woanders hinzukommen – weg vom Desinteresse an Ökonomie auf der einen und von der meist reaktionären Polemik gegen Gendersternchen und antirassistische Politik auf der anderen Seite. Um dann zu fragen, in welchem Verhältnis Klassenkampf und Identitätspolitik tatsächlich stehen, wenn man einmal davon ausgeht, dass es sich nicht um ein Entweder-Oder handeln muss.
Fehler Kuti alias Julian Warner hat in den Interviews zum Erscheinen seines zweiten Albums »Professional People« sehr kluge Sachen zu all dem Komplex gesagt. »Ich halte es wie der marxistische Kulturtheoretiker Stuart Hall«, hat Weber etwa dem »Fluter« verraten. »Er wollte in den 1980er-Jahren klarmachen, dass nicht alles auf Klasse reduzierbar sei, die Kategorien Race und Gender seien auch wichtig.« Fehler Kuti weiß, was Dialektik ist und dass Theorie und Praxis einen Zeitkern haben: »So wie Hall damals die Marxist*innen brüskiert hat, müssen wir, finde ich, heute diejenigen herausfordern, die meinen, alle Ausbeutung sei auf Race- und Gender-Identitäten zu reduzieren.«
Die Musik auf »Professional People« ist ein Ergebnis dieser historisch und theoretisch bewussten Perspektive. Und Spaß macht sie auch. Im Verbund mit dem Musikerkreis um die Gebrüder Acher (The Notwist) hat Julian Warner ein Album mit schön unfertig wirkenden, gleichwohl durchdachten und Heiterkeit verbreitenden Tracks aufgenommen. Stolpernde Krautrock-Beats, repetitive Techno-Strukturen (aber mit der Hand gespielt), Orgel, Bläser und Xylophon, alles das zusammen ergibt eine unpeinliche, lustige und theateraffine Variante von politischem Pop. Julian Weber ist nicht nur Musiker, sondern auch Dramaturg und Dozent für Kulturanthropologie, und seine Musik verbindet alle drei Pole.
»The medium changes the message«, hieß es im Begleitschreiben zum ersten Fehler-Kuti-Album »Schland is the Place for me«, und das Medium ist die Musik. Ein beim ersten Hören noch lustig-verorgelter Track wie »In Every City, In Every Aldi The Blood Of My Brothers And Sisters Taints Your Spargel« klingt beim zweiten und dritten Durchgang dann nach der bedrückenden, bräsigen Gemütlichkeit, die dazugehört, wenn man Spargel genussvoll in sich reinstopft, ohne von Arbeitsbedingungen etwas wissen zu wollen.
»In Every City, In Every Aldi The Blood Of My Brothers And Sisters Taints Your Spargel« ist nur ein Beispiel von vielen gelungenen politischen, na ja, Liedern, die auch in einem, so Warner, »hoffnungslosen Zeitalter, das durch die Warenwerdung und die inhaltliche Entleerung aller emanzipatorischen Gesten gekennzeichnet ist«, noch funktionieren. Und funktionieren heißt erst einmal nur, dass sie in ihrer Verknappung, ihrem forcierten Denglisch (»One, two, three, four, five, six, seven / All Ausländer Go To Heaven«, mitsamt psychedelischem Chor) und in ihrer für Fehler offenen Experimentierfreude klüger sind (und vor allem ungleich mehr Freude verbreiten) als viel von dem starren Gerede, das aus den »Wahnwelten des Politischen« (Klaus Theweleit) herüberweht.
Fehler Kuti: »Professional People« (Alien Transistor/Morr Music)
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