Polarlichter heizen die Jupiter-Atmosphäre auf

Die obere Jupiter-Atmosphäre ist wärmer als erwartet. Ein Energietransport von den Polen könnte das erklären

  • Dirk Eidemüller
  • Lesedauer: 5 Min.
Es ist eine verkehrte Welt: Während auf der Erde die Polkappen und die Hochatmosphäre eiskalt sind, herrscht in Jupiters oberen Atmosphärenschichten an den Polen enorme Hitze. Schon seit rund einem halben Jahrhundert wundern sich Planetenforscher, warum das so ist. Der Gasriese ist rund fünfmal so weit von der Sonne entfernt wie die Erde und erhält demnach nur einen Bruchteil der Strahlungsenergie von unserem Zentralgestirn. Demnach sollte seine gesamte obere Atmosphäre eigentlich eine Temperatur unterhalb von minus 70 Grad Celsius aufweisen. Stattdessen ist es dort im Mittel rund 420 Grad heiß. Und an den Polen sind es sogar bis zu über 700 Grad.

Es gibt nun mehrere Theorien dazu, was die oberen Gasschichten auf dem Riesenplaneten so hitzig werden lässt. Eine populäre Hypothese setzt auf Schwerewellen, also wellenförmige Schwankungen der verschiedenen Luftschichten gegeneinander. In der turbulenten Atmosphäre eines Gasriesen könnten solche Wellen große Mengen an Energie transportieren und die obersten Atmosphärenschichten stark aufheizen. Es wurde auch spekuliert, Wirbelstürme wie der Große Rote Fleck könnten Energie in die obere Atmosphäre schaufeln. Allerdings war den meisten Forschern nicht plausibel, wie ein solcher Sturm einen ganzen Planeten aufheizen könnte.

Eine andere Hypothese, die nun großen Rückhalt gewinnt, deutet auf den Einfluss der starken Aurorae (Polarlichter) an den Polkappen hin. Diese sind - aufgrund des enormen Magnetfelds von Jupiter - die stärksten in unserem Sonnensystem. Allerdings war bislang ungewiss, ob die Energie, die die Polarlichter auf diese Weise freisetzen, sich auch über die restliche obere Jupiter-Atmosphäre verbreiten kann. Schließlich sagen diverse Atmosphärenmodelle voraus, dass starke Winde entlang der Breitengrade eine Verteilung der heißen Gasmassen über den Großteil des Planeten verhindern sollten. Die orkanartigen Westwinde sollten vielmehr als Barriere für einen Wärmestrom von den Polen zum Äquator wirken.

Ein internationales Forscherteam hat nun starke Indizien dafür gefunden, dass in der Tat die Aurorae für die hohen Temperaturen verantwortlich sind. Dies berichten die Wissenschaftler im Fachblatt »Nature« (DOI: 10.1038/s41586-021-03706-w). Dazu mussten sie die bislang detailliertesten Temperaturkarten von Jupiter erstellen. Hierzu kombinierten sie Daten der Raumsonden »Juno« und »Hisaki« sowie zwei mehrstündige Beobachtungen mit dem Zehn-Meter-Teleskop »Keck« auf Hawaii, einem der größten und leistungsstärksten Teleskope. Die letzten derartigen Temperaturkarten stammten aus den 1990er Jahren und waren nur einige Pixel groß, weshalb sich daraus keine klaren Informationen zur Temperaturverteilung auf dem Jupiter, insbesondere zwischen seinen Polen und dem Äquator, gewinnen ließen. Dank der zwischenzeitlich erzielten Technologiesprünge haben die neuen Karten eine gut zehnfach höhere Auflösung von nun je rund zwei Grad geografischer Länge und Breite auf Jupiter, und auch die Temperaturdaten sind wesentlich genauer.

Auf diesen Karten zeichnet sich nicht nur deutlich ab, dass an den Polen bei den Aurorae sehr hohe Temperaturen von bis über 700 Grad Celsius herrschen. Es kam auch - wie es manchmal in der Wissenschaft nötig ist - ein bisschen Glück hinzu: Auf einer der beiden hochpräzisen Aufnahmen mit dem Keck-Teleskop zeichnete sich ab, dass gerade heiße Gasmassen vom Pol in Richtung Äquator strömen. Das widerspricht einigen Atmosphärenmodellen, denen zufolge starke Winde entlang der Breitengrade eine solche Ausbreitung unterdrücken sollten. Hätte die Aufnahme an einem anderen Tag stattgefunden, an dem die Strömungsverhältnisse schwächer gewesen wären, so wäre dies laut den Forschern kaum sichtbar gewesen.

»Die meisten globalen Zirkulationsmodelle von Jupiters oberer Atmosphäre können die Verteilung von Wärme von den Aurorae zum Rest des Planeten nicht erklären«, sagt James O’Donoghue von der Japan Aerospace Exploration Agency, Erstautor der neuen Veröffentlichung. Denn die Gasmassen auf Jupiter rotieren extrem schnell - ein Tag hat dort trotz der Planetengröße weniger als zehn Stunden.

Die neuen Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Zirkulationsmodelle ergänzt werden müssen, da sie den Gastransport weg von den Polen nicht hinreichend berücksichtigen. Denn die Aurorae setzen riesige Energiemengen um. Der Ursprung der hellen Leuchterscheinungen liegt nicht nur - wie auf der Erde - im Sonnenwind, der durch die Magnetfeldlinien auf die Pole kanalisiert wird.

Bei Jupiter spielen auch seine Monde eine wichtige Rolle. Vor allem der vulkanisch aktive Io speist viele Partikel in den Orbit des Gasriesen, insbesondere Schwefel- und Sauerstoffionen, die dann entlang der Magnetlinien zu den Polen wandern. Da Jupiters Magnetfeld rund zwanzigmal stärker ist als jenes der Erde, sorgt dies für spektakuläre Polarlichter, wenn diese Teilchen auf die oberen Atmosphärenschichten prallen. Aber auch andere Monde wie Europa, Ganymed oder Kallisto hinterlassen ihren »Fußabdruck« in Jupiters Polarlichtern, die deshalb auch beständiger leuchten als die auf der Erde.

Um die Strömungsverhältnisse auf Jupiter besser zu verstehen, werden künftig aber längerfristige hoch aufgelöste Messkampagnen erforderlich sein. »Der ganze Planet zeigt eine ziemlich hohe Variabilität, sodass neben einem konstanten Heizprozess auch einzelne Phasen mit starken Strömungen für den Energietransport zum Äquator verantwortlich sein könnten«, sagt O’Donoghue. Dies ließe sich nur mit Messungen über viele Tage einfangen und dürfte ein interessantes Ziel für weitere Messkampagnen sein.

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