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Zwischen Zentrum und Rand
Bezirksserie zur Berliner Wahl Teil 8: Treptow-Köpenick ist ein grüner Bezirk im Wandel - und einer mit einem rechten Problem
In Treptow-Köpenick treffen sich Welten - sie trennen sich aber auch. Der Bezirk ist der flächengrößte Berlins, bei geringster Einwohnerdichte. Seine 15 Ortsteile unterscheiden sich stark. Wer versucht, ihn zwischen dem innerstädtischen Alt-Treptow und dem dörflichen Müggelheim am östlichsten Rand der Hauptstadt zu erfassen, bekommt den Eindruck, er müsse den Sprung zwischen Metropole und Peripherie überwinden. »Alles ist immer eine Stunde weg, vor allem in Köpenick«, erklärt Carolin Weingart (Linke) aus ihrer privaten Sicht. Man sei aufs Auto angewiesen, bedauert Weingart, die in Rahnsdorf aufgewachsen und in Friedrichshagen zur Schule gegangen ist.
Die 36-Jährige wurde von ihrem Bezirksvorstand erst vor wenigen Tagen als neue Kandidatin für das Amt der zukünftigen Bezirksbürgermeisterin nominiert. Weingart war zuletzt als persönliche Referentin der Staatssekretärin Ines Feierabend (Linke) im Thüringer Sozialministerium beschäftigt. Feierabend, die eigentlich mit Ende der Legislatur in ihre »alte Heimat« Treptow-Köpenick zurückkehren wollte, um wieder kommunalpolitisch aktiv zu sein, bleibt nach der durch die Thüringer CDU verhinderten Neuwahl des dortigen Landtags aber nun weiter in Erfurt. Sie war ursprünglich von ihrem Bezirksverband als Spitzenkandidatin für die Wahl und damit als Kandidatin für das Amt der Bezirksbürgermeisterin gewählt worden. Nun springt ihre Referentin für sie in die Bresche. Sozialpolitik liege ihr, gern würde sie ihren Genossen Gernot Klemm, der zwei Legislaturen den Sozialstadtrat gestellt hat, darin beerben, erklärt Weingart.
Und lobt die sichtbaren Veränderungen im Bezirk, der als grünster der Hauptstadt gilt: »Als ich hier zur Schule ging, gab es kaum Menschen mit Migrationsgeschichte, das hat sich zum Glück geändert.« Aber nicht nur in der Bevölkerung hole der Bezirk etwas von den gesamtstädtischen Entwicklungen nach. 2020 lag er auf Platz zwei im Wohnungsbau - wobei hier die Eröffnung des Flughafens BER seinen Beitrag zum Boom beigetragen haben dürfte. An ihm scheiden sich in Treptow-Köpenick ohnehin die Geister, sagt Weingart. Die Flugrouten-Debatte überziehe die Beschaulichkeit am südöstlichen Zipfel der Stadt mit seinen Einfamilienhaussiedlungen und dörflicher Atmosphäre: »Da demonstriert ein Dorf gegen das andere.«
Wenn dann noch der Neubau dazukommt, haben die ruhig gelegenen Ortsteile einiges an Veränderung zu verkraften. »In Hessenwinkel baut die landeseigene Degewo einen Komplex, der die Bevölkerungszahl um ein Viertel erhöht«, erklärt die Bürgermeisterkandidatin. Aber wenn solche Entwicklungen einen besseren Anschluss an den Nahverkehr, mehr Kitas, Schulen und Einkaufsmöglichkeiten nach sich zögen, sei das schließlich gut für alle. Die Neubauten lösen aber nicht das Wohnungsproblem: »Baustellen sind immer anstrengend«, weiß die Linke-Politikerin. »Trotzdem muss nachverdichtet werden - aber mit den Bürger*innen zusammen.« Weingart dürfte klar sein, dass genau das nicht so leicht ist, auch angesichts der Hochaltrigkeit im Bezirk. »Im Allende-Viertel liegt der Altersdurchschnitt bei 90 Jahren, die Leute wohnen hier, seit sie in die Wohnungen vor vierzig, fünfzig Jahren eingezogen sind«, sagt die noch junge Politikerin.
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Da dürfte eher das Motto »Not in my backyard« gelten - nicht in meinem Hinterhof. Einer, der sich zu diesen Auseinandersetzungen viel hinsetzt, Bürgersprechstunden abhält und das Bild von der Linken als Kümmerer-Partei im Bezirk aufrecht hält, ist Gregor Gysi, Bundestagsabgeordneter und Direktkandidat der Linken. Dem CDU-Bewerber Niels Korte lief er im Bezirk zuletzt 2017 mit 39,9 Prozent der Stimmen klar den Rang ab.
»Es wäre schön, wenn Die Linke Treptow-Köpenick für sich entscheiden könnte«, blickt Carolin Weingart auf die bevorstehenden Wahlen. Zuletzt lag sie zwischen der SPD und der rechten AfD, die 2016 aus dem Stand über 20 Prozent der Stimmen auf sich vereinte. Und damit auf ein Merkmal des Bezirks verweist, der in den Schilderungen der Linke-Politikerin nur am Rand auftaucht: Eine hohe Bereitschaft in der Bevölkerung, rechte Parteien zu wählen.
Die Situation im Bezirk habe sich stark verändert, sagt Ben Hotz vom Zentrum für Demokratie in Schöneweide. Jahrzehntelang währten hier unmittelbare Auseinandersetzungen mit einer sehr präsenten gewaltbereiten extremen Rechten - begründet zum einen in der Ansiedlung der Bundeszentrale der NPD in der Köpenicker Seelenbinderstraße vor über 20 Jahren. Dazu kam die Brückenstraße, bis 2014 bundesweit bekannt als ›braune Straße‹, weil es hier viele von Neonazis geführte Läden gab - Teil des Versuchs extrem rechter Akteure, hier in den 2000er und 2010er Jahren ihre Vorstellung vom »national befreiten Kiez« durchzusetzen: Neonazis aus Berlin und ganz Deutschland wurden aufgefordert, in die Gegend zu ziehen.
In dieser Zeit entstand das Bündnis für Demokratie, ein »so breiter Zusammenschluss wie möglich, um der Raumergreifungsstrategie der Neonazis etwas entgegenzusetzen«, erklärt Hotz, der seit 2018 das Zentrum für Demokratie koordiniert. Hier trafen sich Zivilgesellschaft wie politische Parteien, Kirchen und Kleingartenvereine. Im Hinblick auf die NPD sei immer klar gewesen: »Eine Zusammenarbeit ist nicht legitim und opportun.«
Mit der Krise der NPD und dem Erstarken der AfD sei hingegen in den vergangenen Jahren eine »Veruneindeutlichung« einhergegangen, sagt Rechtsextremismusexperte Hotz. Die AfD sei viel stärker in den Kiezen verankert und setze auf andere Politikwege als die NPD. Von deren Bundeszentrale gingen überdies nach wie vor rechte Übergriffe aus. Die Wählerstimmen sammele hingegen eher die Neonazipartei »Der Dritte Weg« ein - und eben die AfD, die versuche, mit anderen Mitteln ihre Inhalte durchzubringen und die demokratische, antifaschistische Zivilgesellschaft zu delegitimieren. Zusammen mit den klassischen rechten Themen wie Migrationsfeindlichkeit ist sie damit Gewinnerin auch der Krise rechter Akteure wie der NPD.
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Schaut man sich an, wo die AfD im Bezirk besonders stark ist, spiegelt sich darin auch die Unterschiedlichkeit Treptow-Köpenicks: Bei den letzten Wahlen erhielt sie sowohl in den Einfamilienhaussiedlungen hinter dem Müggelsee enorm hohe Stimmanteile, als auch in den Gebieten, in denen früher die NPD stark war: Neuköllnische Vorstadt, Schöneweide oder Altglienicke. Im Wahlkreis Altglienicke-Adlershof gewann Frank Scholtysek für die AfD einen von fünf Wahlkreisen, die in Berlin 2016 direkt an die rechte AfD gegangen waren.
»Der Sieg von Scholtysek war ein Schock für die anderen Parteien«, sagt Hotz. Seitdem setze man auf Programme »aufsuchender politischer Bildung«. Zu Veranstaltungen und Diskussionen komme in Altglienicke niemand - egal auf welchem Weg man dazu einlade. In Adlershof entstehen derweil neue Initiativen, wie Adlershof gegen Rechts. »Das sind auch Menschen, die aus innenstadtnahen Bezirken verdrängt werden, die sich nun hier engagieren«, erklärt Ben Hotz. Und dass sich daraus Konflikte ergeben, weil auch in Treptow-Köpenick Aufwertungsprozesse stattfinden. Andererseits könne man so mittlerweile auch darauf zählen, dass Aktionen wie die antirassistische Demonstration Mitte August mehr Menschen anziehe. »Da waren 450 Leute, davon konnten wir vor Jahren nur träumen«, erinnert sich Hotz. Antifaschistisch Aktive aus der Innenstadt hätten für die Probleme vor allem in Schöneweide damals wenig Interesse gezeigt.
Derweil haben rechte Akteure, wie der ehemalige Fraktionschef der AfD im Abgeordnetenhaus, Georg Pazderski, sich eingerichtet. Pazderski lebt im Wahlkreis 6, der Köpenick-Nord, Friedrichshagen und Rahnsdorf/Hessenwinkel, umfasst. Und er wird hier im September wieder antreten.
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