»Wir wollen eine radikale Umverteilung des Vermögens«

Das Bündnis »Wer hat, der gibt« ruft für das Wochenende zu Demonstrationen und Aktionen in 18 Städten auf

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 4 Min.

Ihr Bündnis ruft in mehreren Städten unter dem Motto »Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten« zu Protesten am Wochenende auf. Wer soll was genau abgeben?

Es kommt seit Jahrzehnten in der Bundesrepublik zu einer verstärkten Umverteilung von Unten nach Oben. Inzwischen haben wir einen unhaltbaren, skandalösen Zustand erreicht, in dem laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung zehn Prozent der Bundesbürger 67 Prozent des Vermögens besitzen, die restlichen 90 Prozent der Menschen hierzulande dagegen aber nur über 33 Prozent verfügen. Wir wollen eine radikale Umverteilung des Vermögens der reichen oberen zehn Prozent.

Zur Person
Johannes Fischer ist Lehrer und Sprecher der Berliner Ortsgruppe des »Wer hat, der gibt«-Bündnisses. Die Initiative ruft bundesweit zu Demonstrationen am Wochenende auf. Mit dem Aktivisten sprach Sebastian Bähr.

Warum erheben Sie diese Forderungen gerade jetzt in der Coronakrise?

Die Coronapandemie hat viele Menschen wirtschaftlich hart getroffen. Auch der Staat hat sich stark verschulden müssen. Hingegen ist es den Reichsten in Deutschland gelungen, in der Pandemiezeit ihr Vermögen um satte 100 Milliarden Euro zu steigern – ohne dass sie dafür einen Finger gerührt haben. So läuft es eben im Kapitalismus. Die krasse Ungleichheit hierzulande hat sich damit nochmals verschärft. Gleichzeitig befinden wir uns in einer Krisensituation, in der wir viel Geld benötigen, um die Folgen der Pandemie, der Klimakrise sowie der sozialen Krise zu bewältigen. Es ist nur gerecht, dafür das Vermögen der Superreichen heranzuziehen.

Wie soll die Umverteilung konkret erreicht werden?

Unser Ziel ist es, die Gesellschaft dauerhaft sozial gerechter zu machen. Deshalb fordern wir bei den Berliner Protesten unter anderem kurzfristig eine einmalige Vermögensabgabe der Großvermögen für die Pandemiekosten, langfristig die Wiedereinführung einer hohen Vermögenssteuer, eine radikale Erhöhung des Spitzensteuersatzes, die effektive Besteuerung großer Erbschaften und Schenkungen sowie die Vergesellschaftung wichtiger Wirtschaftsbereiche, großer Wohnungsbestände und des Gesundheitswesens.

Inwiefern würde sich durch Ihre Forderungen etwas grundsätzlich an diesem Wirtschaftssystem ändern?

Grundsätzlich fordern wir einen Umbau hin zu einem Wirtschaftssystem, in dem das Wohl der Gesellschaft und der Umwelt vor den Profitinteressen der Wenigen steht. Anders als durch eine grundlegende Transformation dieses Systems kann man die Ungerechtigkeit der Marktwirtschaft nicht abbauen.

Welche zukünftige Bundesregierung wäre am ehesten geeignet, diese Forderungen auch umzusetzen?

Sicherlich haben Teile des Programms der Linkspartei ähnliche Ansätze. Alles in allem sind wir jedoch eine außerparlamentarische Bewegung und wollen keine Wahlempfehlungen abgeben. Klar ist aber auch, dass alle derzeit angestrebten Regierungen, also Schwarz-Grün, Schwarz-Grün-Gelb, und auch Rot-Grün-Gelb, die Krisenkosten eher auf die Menschen mit geringerem Einkommen abwälzen und dementsprechend die ungleiche Vermögenverteilung weiter verschärfen werden.

"Wer hat, der gibt"

Wie kann verhindert werden, dass selbst eine Mitte-links-Regierung durch Druck der Kapitalseite einen brutalen Austeritätskurs durchsetzen wird?

Wir wissen nicht, ob eine Mitte-links-Koalition sich anders verhalten würde. Wir brauchen letztlich in allen Konstellationen die Kraft der sozialen Bewegungen, um der neoliberalen Umverteilung nach Oben etwas entgegenzusetzen.

Auf Ihrer Webseite fordern Sie einen sozial-ökologischen Wandel der Wirtschaft. Wie hängt Ökologie mit der Umverteilung zusammen?

Am sozial-ökologisch Wandel führt anhand der Klimakrise als auch der Krise im Sozial- und Pflegebereich kein Weg vorbei. Eine Ursache dieser Krisen liegt dabei eben auch im kapitalistischen Wirtschaftssystem begründet. Wir wollen hierbei den Klimawandel durch einen ökologischen Umbau der Wirtschaft eindämmen. Das kann aber nicht der Markt regeln, sondern die Gesellschaft muss politisch definieren, wie eine klimaneutrale Wirtschaft aussehen kann. Einfach nur die gesamte Wirtschaft auf regenerative Energien und Elektroautos umzustellen, kann nicht die Lösung sein. Im Pflegebereich wollen wir, dass die Menschen deutlich bessere Löhne bekommen, dass die Beschäftigten entlastet werden und mehr Zeit für die zu Pflegenden haben.

Was ist genau geplant bei den Protesten am Wochenende?

Wir rufen in 18 Städten zu Demonstrationen und Aktionen auf. Wir starten in Berlin am Samstag um 14 Uhr am Urban-Krankenhaus in Kreuzberg, wo wir gemeinsam mit dem Streiklager der Krankenhausmitarbeitenden den Auftakt gestalten. Danach ziehen wir in Richtung der Stadtteile Mitte und Friedrichstraße und besuchen dort Orte der Verdrängung und des Profits, etwa das Finanzministerium.

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