Protest im Nazi-Kiez

450 Antifaschisten demonstrieren in Dortmund-Dorstfeld

Dortmund, Nazi-Hochburg im Westen: An diesem Ruf arbeiteten Neonazis seit den frühen 1980er Jahren. Es gab und gibt in der Ruhrgebietsstadt rechte Hooligans, neonazistische Parteien, Zusammenschlüsse und eine Rechtsrock-Band mit Verbindungen zu terroristischen Gruppierungen. Seit dem Jahr 2000 sind allein in Dortmund fünf Menschen von Neonazis getötet worden. Auch der NSU hat hier gemordet.

Daran erinnerten Antifaschisten am Sonntag mit einer Demonstration, mit der sie zugleich das Ziel öffentlich machten, rechte Strukturen zurückzudrängen. Die »Autonome Antifa 170« hatte zu der Demo unter dem Motto »Bringing it down – beständig und konsequent gegen rechte Strukturen« aufgerufen. Anlass war der neunte Jahrestag des Verbots des »Nationalen Widerstands Dortmund« und anderer Gruppierungen. Die militante Neonazi-Kameradschaft war, zusammen mit Organisationen aus Hamm und Aachen, am 23. August 2012 verboten worden.

Neonazis hatten im Vorfeld gegen die Demoroute geklagt – und recht bekommen. Die Antifaschisten durften daher nicht wie geplant durch zwei Straßen ziehen, in denen besonders viele Nazis wohnen. Zudem wurde den Rechten offenbar der Name der Demo-Anmelderin zugespielt. Polizeisprecher*innen versicherten am Rande der Demo, die Polizei habe keine Daten weitergegeben. Dies müsse durch das Verwaltungsgericht geschehen sein, das über die Klage der Rechten zu entscheiden hatte.

Obwohl die Rechten dazu aufgerufen hatten, »ihren« Stadtteil zu »verteidigen«, liefen 450 Antifaschist*innen unterdessen weitgehend ungehindert in den »Nazi-Kiez«. Auf dem Weg dahin versuchte eine Kleinstgruppe von Rechten, den Aufzug durch Böller- und Steinwürfe zu stören, blieb dabei aber erfolglos. Ihr Hauptquartier hatten die Neonazis mit Fahnen und Transparenten geschmückt. Nach der Demo teilte die Polizei mit, es seien drei mutmaßliche Steinewerfer festgenommen worden. Die Provokation eines bekannten Neonazis, der die linke Demo filmte, wurde beendet. Mit einer Ramme verschaffte sich die Polizei Zugang zu seiner Wohnung.

Tobias Schmidt von der »Autonomen Antifa 170« zog ein positives Fazit. Die Provokation der Nazis sei »lächerlich«, die Demo erfolgreich gewesen, erklärte er. Zugleich kritisierte er das Agieren der Polizei. Denn eigentlich hätte die Demo noch ein paar Schritte näher an das Nazizentrum herankommen sollen. Schmidt kündigte an, man werde so lange immer wieder nach Dorstfeld kommen, bis niemand mehr von einem Nazi-Kiez sprechen könne.

Der ist indes ohnehin nicht mehr das, was er einmal war. Nach dem Verbot der Kameradschaft 2012 hatte sich die rechte Szene noch sehr schnell wieder neu aufgestellt. In den Kreisverbänden der Partei »Die Rechte« bildete man neue Organisationsstrukturen, und Dortmund blieb ein Hotspot der extremen Rechten mit bundesweiter Strahlkraft. Zu Aufmärschen reisten oft mehr als 1000 Menschen aus Deutschland und ganz Europa an. Immer wieder schafften es Dortmunder Neonazis, Skandale zu inszenieren. Seit 2014 sitzen sie zudem im Stadtrat und Bezirksvertretungen.

Doch mittlerweile sind etliche rechte Dortmunder Kader nach Chemnitz verzogen, andere hatten Haftstrafen zu verbüßen. Kundgebungen im Wochenrhythmus veranstalten die Neonazis hier nicht mehr. Allerdings sind sie immer noch gut vernetzt, etwa im Kampfsportbereich. Einer der Hauptorganisatoren des rechten Sportevents »Kampf der Nibelungen« stammt aus Dortmund und übernimmt Aufgaben im Kreisverband der Partei »Die Rechte«. Kein Wunder also, dass zahlreiche Neonazis, die versuchten, die Demo in Dorstfeld zu stören, Kleidung mit Symbolen der Kampfsportveranstaltung trugen.

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