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Drohkulisse am Himmel
Die USA und andere Staaten bieten eine gewaltige Streitmacht auf, um sich am Airport Kabul zu behaupten
Bei einem Feuergefecht am geschlossenen Nordtor des Flughafens von Kabul zwischen unbekannten Angreifern und afghanischen Sicherheitskräften wurde am Montagmorgen ein afghanischer Wachmann getötet, drei weitere wurden verwundet. Deutsche und US-Soldaten hätten sich an der – erfolgreichen – Abwehr der Attacke ohne eigene Verluste beteiligt, teilte das deutsche Militär via Twitter mit. Bislang haben Taliban-Anhänger vor dem Flugplatz in die Luft geschossen und wartende Menschen mit Peitschen traktiert.
US-Truppen und deren Verbündete, die seit dem 15. August versuchen, Tausende Menschen aus Afghanistan zu evakuieren, nahmen sie aber zunächst nicht ins Visier. Es gibt keine Garantie, dass das so bleibt. Auch ist nicht sicher, dass die neue Ordnungsmacht in Kabul Anschläge von radikalen Kämpfern verhindern kann, die sich unter die Wartenden mischen. Auch Selbstmordattentate nach dem Vorbild der Terrormiliz »Islamischer Staat« sind jederzeit möglich.
Dass die Taliban keine direkte Konfrontation mit den ausländischen Truppen am militärischen Teil des Hamid Karzai International Airport anstreben, liegt auch daran, dass die USA eine gewaltige Streitmacht für die Evakuierungsoperation bereitgestellt haben. Man spricht von bis zu 6000 Uniformierten im Einsatz am Boden. In den Medien sind vor allem die gewaltigen C-17-Transportmaschinen sichtbar, die US-Bürger, Nato-Mitarbeiter sowie afghanische Helfer samt Familien auf einen Stützpunkt in Doha, der Hauptstadt von Katar, ausfliegen.
Nato-Staaten auf USA angewiesen
Für diese Operation haben die US-Truppen alle notwendigen Flugsicherungsanlagen in Kabul installiert, auf die auch die anderen Nationen angewiesen sind, die Flugzeuge oder Hubschrauber schicken. Nicht sichtbar ist, was die USA darüber hinaus aufbieten. Der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs, US-Armeegeneral Mark Milley, sprach über eine »breite Palette« von »bemannten und unbemannten Flugzeugen«, die entweder bereits über Afghanistan sind oder auf Stützpunkten im Nahen Osten bereitstehen, um Luftunterstützung zu fliegen. Dazu gehören »Super Hornets«, die von Bord des atomar angetriebenen Flugzeugträgers »Ronald Reagan« starten. B-52- und F-16-Bomber sind über der Region unterwegs. Über Pakistan kreisen Tankflugzeuge. Maschinen mit hochmodernen Radar-Warn- und Kontrollsystemen leiten den gesamten Flugverkehr. Alle anderen Nationen, die Transportflugzeuge schicken, müssen den Weisungen dieser fliegenden Leitstationen folgen.
Und nicht alles, was wie ein Transportflugzeug aussieht, ist auch eines. So halten die US-Truppen zur Luftnahunterstützung auch »Hercules«-Maschinen vor, die den Beinamen »Gunship« (Schlachtschiff) tragen und mit schwerer Artillerie bestückt sind. Dass »Reaper« (»Sensenmann«)-Drohnen über Kabul im Dauerbetrieb sind, klingt wahrscheinlich. Gleichwohl hilft diese Drohkulisse kaum, die Lage in Flugplatznähe zu beherrschen. Dort ist – neben anderen Eliteeinheiten – das 160. Special Operations Airborne Regiment, besser bekannt als »Night Stalkers«, mit mindestens zwei Dutzend Hubschraubern stationiert.
Transporthubschrauber holen, wie jüngst demonstriert, Menschen an bestimmten Punkten ab und bringen sie zum Airport. Zudem gibt es »Apache«-Kampfhubschrauber – und mindestens acht von Typ »Little Bird«. Die Besatzungen der »kleinen Vögel« haben beim Training demonstriert, welche Feuerkraft sie in engen Straßen entfalten können.
Die Anwesenheit der Kampfmaschinen lässt auf Mäßigung der Taliban hoffen. Allerdings lebt die US Air Force noch immer mit dem Trauma des 3. Oktober 1993. Damals wurde ein »Black Hawk«-Helikopter in Mogadischu abgeschossen. 18 getötete US-Soldaten wurden danach durch die Straßen der somalischen Hauptstadt geschleift.
Im Vergleich zu den US-Kontingenten ist alles, was andere Staaten für Kabul aufbieten, Beiwerk. Bis zu 15 Nationen beteiligen sich derzeit an der Evakuierungsoperation. Großbritannien, Frankreich und die Türkei sind mit Elitekämpfern vor Ort. Ankara hat unter seinem Kommando zudem rund 150 aserbaidschanische Militärs eingeflogen. Die Waffenhilfe, die die Türkei jüngst in Bakus Feldzug gegen Armenien gewährte, zahlt sich auch auf diese Weise aus. Auch Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen schickten Transportflugzeuge. Die Niederlande und Italien leisten Beistand. Deutschland ist mit rund 200 Soldaten vor Ort. Die Bundeswehr hat auch zwei leichte Hubschrauber eingeflogen und bietet den US-Verbündeten an, ihnen Geleitschutz zu geben.
Bundeswehr fliegt nach Usbekistan aus
Die von der Bundeswehr evakuierten Menschen werden mit A400M-Transportern erst in die usbekische Hauptstadt Taschkent ausgeflogen. Dort hat die Bundesrepublik einen Teil des Airports gemietet. Der Umstieg in zivile und Maschinen der Flugbereitschaft der Bundeswehr scheint weitgehend zu klappen. Dagegen ist der Stützpunkt in Doha derzeit so überfüllt, dass Menschen zeitweise nicht aus Kabul abgeholt werden können. Daher hat die US-Regierung nun das »Civil Reserve Air Fleet Programme« aktiviert. Es war in der Zeit der Berliner Luftbrücke 1948 aufgebaut worden. In den kommenden Tagen sollen 18 Jets von US-Fluggesellschaften Menschen in Doha abholen. Ramstein in Deutschland ist eine weitere Zwischenstation.
Die an der Evakuierung beteiligten Staaten warten nun mit Sorge auf den endgültigen Bescheid aus Washington zum Ende der US-Operation. Präsident Joe Biden hat den 31. August genannt. Da politisch Verantwortliche in den USA sich bislang nicht besonders offen für Kommunikation mit anderen Nato-Staaten zeigten, sollte sich die Bundeswehr unbedingt angesprochen fühlen, wenn US-Kommandeure zum Rückzug blasen. Das Auswärtige Amt in Berlin müsste sich derweil überlegen, wie man durch Verhandlungen gefährdeten Personen Zuflucht bieten kann. Ältere Beamte dort werden sich an Zeiten erinnern, in denen die Bundesrepublik im Stillen Menschen freikaufte. Das allerdings waren, jedenfalls laut Grundgesetz, Deutsche.
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