Die Angst im Blick

Ist doch nur Politik – zur Ästhetik des Wahlkampfs (1): Die CDU und Armin Laschet

  • Frank Jöricke
  • Lesedauer: 3 Min.

Der typische CDU-Wähler ist ein gnadenloser Realist. Während der SPD-Wähler hoffte, mit Egomanen wie Gerhard Schröder würde der Traum von einer gerechten Welt endlich Wirklichkeit, hat sich der Unionsanhänger noch nie Illusionen über das Führungspersonal seiner Partei hingegeben.

Er weiß aus Erfahrung: Ein Chef tut alles, um auf dem Chefsessel zu bleiben. Und der Unionsanhänger findet dies auch in Ordnung. Sogar den Abschied von Atomkraft und Wehrpflicht – einst Teil des CDU-Glaubensbekenntnisses – hat er verwunden. Besser dem politischen Gegner die Themen klauen als der Macht beraubt werden!

Ähnlich pragmatisch betrachtet er den Wahlkampf. Es stört ihn nicht, dass baukastenmäßig die gleichen Wörter verwendet werden, ja, manchmal sogar die identischen Sprüche. Den Wahlkampfslogan von 1976, »Kanzler für Deutschland«, verwendete Helmut Kohl 1990 noch mal. So spart man die Kosten für den Werbetexter.

Auch der 2021er-Slogan ist – ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit – das Ergebnis von Recycling. Aus Edmund Stoibers »Gemeinsam für Deutschland« (2002) wird bei Armin Laschet »Gemeinsam für ein modernes Deutschland«. Interessant ist der Vergleich zu 2013. Seinerzeit hieß es: »Gemeinsam erfolgreich. Für Deutschland«. Doch Erfolgsversprechen möchte die CDU im Krisenjahr 2021 dann lieber doch nicht abgeben.

Auch gestalterisch ist sie kleinmütig geworden. Früher wurden die Deutschlandfarben mit der Tapezierbürste aufgetragen. In Zeiten von Corona hat es nur zu einem dünnen Schwarz-Rot-Gold-Kreis gereicht. Vaterlandsliebe fällt schwer, wenn das Vaterland ständig Bockmist baut. Das war mal anders. 1998 versprach Helmut Kohl »Weltklasse für Deutschland«. Dabei wies sein Finger entschlossen nach vorn, und sein Blick bekundete Unerschütterlichkeit. Dieses Selbstbewusstsein im Angesicht einer absehbaren Niederlage beeindruckte 35 Prozent der Wähler so sehr, dass sie ihr Kreuz bei der Union machten.

Ein Armin Laschet ist zu solch kraftvoller Körpersprache nicht fähig. Der Mann, der bei der Flutkatastrophe bewies, dass er von Herzen lachen kann, vermag sich auf dem Wahlplakat nur ein schmallippiges Lächeln abzuringen. Es ist eine erstaunlich ehrliche Aufnahme. Man könnte damit den Ausdruck »gemischte Gefühle« illustrieren. Hier ringt ein Mensch um Fassung, will Zuversicht vermitteln. Doch es gelingt ihm nicht recht. Das eine Auge mag Lebensfreude bezeugen, doch das andere verrät, wie tief Ernüchterung und Zweifel sitzen.

Damit aber spiegelt Laschet die Gefühlslage vieler CDU-Anhänger wider. Denn auch diese sind verunsichert. Sie wollen kein »modernes Deutschland«, sondern das Deutschland vor Corona: saturiert und ein wenig überheblich, weil es sich wirtschaftlich und moralisch überlegen wähnte. Von diesem Gefühl ist seit dem Afghanistan-Desaster nichts mehr übrig geblieben. Die Bananenrepublik, das sind wir plötzlich selber.

Auch will man nicht mehr so recht glauben, dass das Montagsauto namens Deutschland »Gemeinsam« wieder flottgemacht werden kann. Zu deutlich hat Corona gezeigt, wie zerrissen das Land ist. Der staatstreue CDU-Wähler, der Lockdowns und Impfung rückhaltlos bejaht, muss erkennen: Viele »brave Bürger« sind ungezogene Querköpfe. Das ärgert ihn kolossal. Er sehnt sich nach dem strengen Schulmeister Markus Söder – und nicht nach dem laschen Lehrer Laschet, der gern mal beide Augen zudrückt. Das ist der CDU-Basis bewusst. Sie plakatiert lieber Themenmotive als den ungeliebten Frontmann. Es hat vermutlich noch keinen Wahlkampf gegeben, in dem ein Spitzenkandidat derart versteckt wurde.

Schauen Sie sich das Laschet-Plakat also gut an – Sie werden es im Wahlkampf nicht allzu oft zu sehen bekommen.

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