Die Päpste und Päpstinnen von der Insel Hiddensee

Mit Amüsement und Bildung steuert ein neuer Fettnäpfchenführer von Anke und Frank Nussbücker durch das Minenfeld kultureller Ostseeeigenheiten

  • Silvia Ottow
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Biene aus dem Ruhrpott ist zum ersten Mal auf Hiddensee. Ja, gibt’s denn solche Menschen überhaupt noch? Kein Wunder, dass die naive Kunstfigur über alles staunt: Windflüchter, Hornfisch, Sanddorn, wortkarge Wirte …

Das Autorenpärchen Anke und Frank Nussbücker schickt diese junge Frau mit ihrem ostseeerfahrenen Begleiter Karsten auf eine Reise entlang der vielgelobten Ostseeküste und lässt sie all die Fragen stellen, die einem selbst zu banal vorkommen. Warum hat der Hornfisch grüne Gräten? Wieso sagt man auch am Abend «Moin»? Und weshalb darf man nicht über die Dünen trampeln? Ist der Sanddorn wirklich so gesund? Wann und wo findet man ein Stückchen Bernstein?

Auch wenn Biene mitunter den Eindruck erweckt, als wohnte sie in der Sesamstraße von Gelsenkirchen, führen einen ihre Fragen auf einem kurzweiligen Weg durch Historie, Eigenarten und Besonderheiten der Insulaner und Küstenbewohner. Zu den Geschichten, die sie erlebt, gibt es jeweils eine kurz gehaltene Erklärung. Darin werden etwa die Entwicklung der Künstlerkolonie im Seebad Ückeritz auf Usedom, der Umgang mit den Robben in der Ostsee oder die gesundheitlichen Vorzüge des Sanddorns erklärt. Hier macht sich die ernährungswissenschaftliche Ausbildung der Autorin wohltuend bemerkbar. Diese Texte sind kurz und passen sich gut in den abwechslungsreichen Kontext des Buches ein.

Man kann es mal kurz weglegen, wenn man aus dem Strandkorb – auch dessen Geschichte wird hier erzählt – in das Wasser springen will und findet dennoch schnell wieder hinein. Man kann es irgendwo mittendrin aufschlagen und stößt gleich auf eine interessante Stelle. Etwa, wenn unsere Biene die Bistrobesitzerin in Vitte auf der Insel Hiddensee fragt, ob sie deren Toilette benutzen könne, und die scharfe Antwort erhält: «Meine nich!» Denn auch das zuweilen seltsame Serviceverständnis der Küstenbewohner wird nicht ausgespart. Service, schlussfolgern die Autoren leicht flapsig am Beispiel Hiddensee, werde großgeschrieben. Zumindest, was die Rechtschreibung betrifft. Der Kunde sei zwar König, allerdings stehe ihm in Person des Wirts oder Ladeninhabers noch immer ein Kaiser oder Papst gegenüber. «Letztere, ob männlich oder weiblich, sitzen stets am längeren Hebel.»

Die Päpstinnen und Päpste von Hiddensee werden wir wohl auch noch im nächsten Sommer ertragen müssen. Bereits in diesen Tagen sind die Quartiere auf und um die Ostseeinseln und -küsten herum fast ausgebucht. Wer im Jahr 2022 ein paar Tage Wellengang und Möwengeschrei genießen will, der sollte am besten schon jetzt nach einem Schlafplätzchen suchen. Und über den Winter ein wenig in Nussbückers Fettnäpfchenführer blättern.

Anke und Frank Nussbücker:«Ostseefettnäpfchenführer. Auf dem Bodden der Tatsachen. conbook. 251 S., geb., 12,95 €.

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