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Soziale Gerechtigkeit kommt zu kurz
Berliner Sozialgipfel macht Druck für Änderungen auf Bundesebene
Der gekippte Mietendeckel hat gezeigt, was oft ein grundsätzliches Problem der Landespolitik ist: Egal, wie sozial Berlin regiert wird, am Ende scheitern politische Vorstöße am Bund. Deshalb muss aus der Hauptstadt heraus soziale Politik bundesweit wirken. So sehen es die Mitglieder des Berliner Sozialgipfels. Sie wollen kommenden Montag mit den Berliner Bundestags-Kandidierenden am Brandenburger Tor diskutieren und ihren Forderungen Öffentlichkeit verschaffen.
»Wir haben uns darauf konzentriert, die Themen anzusprechen, die uns in Berlin unter den Nägeln brennen, aber Bundesthemen sind. Wir verlangen, dass die Berliner Kandidaten für den Bundestag diese auch entsprechend vertreten«, sagt Ursula Engelen-Kefer, Berlin-Brandenburger Landesvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland (SoVD). Die Sozialverbände fürchten zum Beispiel anstehende Kürzungen im Zuge der Coronakrise. »Wir dürfen hier nicht zulassen, dass ein Sparen am falschen Ende passiert«, sagt Engelen-Kefer. Es brauche eine gerechte Finanzierung der Sozialversicherung und der Sozialleistungen und dafür auch Reformen im Steuersystem. »Wir fordern die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die Erhöhung der Spitzensteuer und die Abschaffung der rigorosen Schuldenbremse«, so die Sozialexpertin.
Weiterhin sei es notwendig, konkrete Schritte zur Armutsbekämpfung anzugehen. »Die Grundsicherung bei Armut und im Alter spielt bei uns eine ganz entscheidende Rolle«, sagt Engelen-Kefer. Die Regelsätze bei Transferleistungen müssten deutlich erhöht und in Zukunft an der Mitte der Gesellschaft bemessen werden und nicht am unteren Ende. »Wir verlangen 100 Euro mehr im Monat für die Corona-Ausgaben«, so die SoVD-Landeschefin. Es sei empörend zu hören, dass die Sätze 2022 nur um zwei bis drei Euro angehoben werden sollen. »Das trägt keinesfalls der Zielsetzung Rechnung, eine menschenwürdige Lebensexistenz und eine gesellschaftliche Teilhabe zu realisieren«, sagt sie.
Mehr Menschen dauerhaft erwerbslos. In der Pandemie verfestigt sich die Langzeitarbeitslosigkeit
Teil des Sozialgipfels ist auch der Berliner Mieterverein. »Das Wohnen ist ein wesentlicher Teil der sozialen Frage überhaupt«, sagt dessen Geschäftsführer Reiner Wild. Der Handlungsbedarf beim Wohnen sei »massiv« und über einen extrem wichtigen Teil werde im Bundestag entschieden. »Das große Problem besteht darin, dass der Anteil preisgünstigen Wohnraums in Berlin wie in allen Großstädten rasant schwindet«, so Wild. Neubau allein könne das nicht auffangen, denn vier Fünftel aller Wiedervermietungen hätten eine sehr hohe Miete zur Folge. Deshalb fordert der Sozialgipfel einen sechsjährigen Mietenstopp und vernünftige und wirkmächtige Mietobergrenzen, denn die Mietpreisbremse sei »löchrig wie ein Schweizer Käse«.
Für die Gewerkschaften stehen Fragen zu gerechter Arbeit im Vordergrund. So müsse der Niedriglohnsektor zurückgedrängt, der Mindestlohn auf zwölf Euro angehoben und eine Stärkung des Tarifsystems erreicht werden, fordert Christian Hoßbach, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes Berlin-Brandenburg. »Wir brauchen außerdem eine Sicherung des Rentensystems, denn eine Absenkung des Rentenniveaus darf nicht passieren.«
Insgesamt kämen im aktuellen Bundestagswahlkampf die Fragen sozialer Gerechtigkeit deutlich zu kurz. Das sei ungünstig und dürfe nicht so bleiben, so Hoßbach. »Nie war es so wichtig, dass es den Sozialgipfel gibt, und nie war es so wichtig, dass die Parteien gute Antworten auf die Themen bringen, die wir auf die Tagesordnung setzen«, erklärt der DGB-Landesvorsitzende mit Blick auf die Diskussion kommende Woche.
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