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Keine Sternchenstunde für Sachsens Schulen
CDU-geführtes Kultusministerium erlässt Beschränkungen für geschlechtergerechte Sprache
In Sachsens Schulen gibt es wenige Tage vor Beginn des neuen Schuljahres viele dringliche Aufgaben. Der Lehrermangel sorgt für Kopfzerbrechen bei der Organisation des Unterrichts. Die Mängel bei der digitalen Ausstattung sind in Zeiten von Corona-bedingtem Distanzunterricht noch deutlicher geworden als zuvor. Zudem sind die Schulen überwiegend noch immer nicht mit Luftfilteranlagen ausgestattet. CDU-Kultusminister Christian Piwarz hat dennoch ungeachtet der anhaltenden Pandemie Präsenzunterricht angeordnet.
Eines offenbar als sehr drängend angesehenen Problems hat sich das Ministerium indes kurz vor Ferienende angenommen. Die Rede ist vom Gendern und damit einer geschlechtergerechteren Sprache. Dafür haben sich verschiedene sprachliche Mittel etabliert, von denen einige jetzt aus sächsischen Klassenzimmern verbannt werden. »Sonderzeichen« wie das Gendersternchen, der Doppelpunkt oder ein Unterstrich im Wortinneren seien »im Bereich der Schule und in offiziellen Schreiben von Schulen nicht zu verwenden«, heißt es in einem Rundschreiben. Zwar hält man es für wichtig, »gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern den Gebrauch und die Wirkung verschiedener geschlechtergerechter Sprachformen zu untersuchen und zu reflektieren«. Die genannten Formen erfüllten aber »weder die Kriterien für eine gendergerechte Schreibung«, noch entsprächen sie dem Amtlichen Regelwerk für die deutsche Rechtschreibung, welches, wie betont wird, »auch für die Schulen gilt«.
Immerhin belässt es das Ministerium nicht beim Verbot. Den Schulen werden Varianten zur gleichberechtigten Benennung der Geschlechter empfohlen: »Paarformen« wie »Schülerinnen und Schüler«, neutrale Formulierungen wie »Lehrkräfte« oder Umschreibungen wie »Es wird gebeten ...«. Im Schreiben wird gebeten, auf eine »korrekte Verwendung gemäß dem Amtlichen Regelwerk ... zu achten«, und zwar nicht nur im Deutschunterricht. Er nehme zwar eine »Vorreiterrolle« beim Thema ein; dieses solle aber generell »im Schulalltag und im Unterricht aller Fächer Berücksichtigung finden«.
Die Reaktionen in der Landespolitik fallen gemischt aus. Die Linke spricht von einer Posse und klagt, die CDU nutze das Ministerium für den Wahlkampf. Das offiziell nur als »Handlungsempfehlung« betitelte Schreiben sei faktisch eine offizielle Vorgabe, wie es sie zur Umsetzung des 2017 beschlossenen Landesaktionsplans zur Akzeptanz der Vielfalt von Lebensentwürfen nie gegeben habe. Es sei damit ein »Sprechverbot«, kritisiert die Linke. Die AfD sieht ein solches nicht, hält es aber für dringend nötig: Man solle die »Verhunzung der deutschen Sprache ... komplett verbieten und auch Sanktionen androhen«.
Diplomatisch äußern sich auf Anfrage die mitregierenden Grünen. Sie freue sich, dass das Thema der geschlechtergerechten Sprache »nun auch im Kultusministerium angekommen ist«, sagte deren Bildungsexpertin Christin Melcher dem »nd«. Dessen Schreiben verweise »durchaus ausgewogen« auf die Thematik; es sei freilich »nur ein Bestandteil der Information an die Schulleiterinnen und Schulleiter zu Schuljahresbeginn, nicht mehr und nicht weniger«. Andere Abgeordnete nahmen sarkastische und teils scharfe Äußerungen in sozialen Medien zurück.
In der Koalition sorgt das Thema öfter für Reibung. Justizministerin Katja Meier (Grüne) hat verfügt, dass im Schriftverkehr ihres Ressorts geschlechtsneutral formuliert wird. Im Koalitionsvertrag einigte sich das Bündnis aus CDU, Grünen und SPD 2019 auf eine sprachliche Ausdrucksweise für die Regierungsarbeit, die »Geschlechter gleichberechtigt sichtbar macht, ohne dabei die Verständlichkeit ... zu beeinträchtigen«.
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