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Die Bagger stehen still
Dutzende Klimaschützer besetzten Baustelle der Wiener Stadtautobahn Aspern
Es ist sehr kalt an diesem Dienstagmorgen, doch schon gegen sieben Uhr regt sich Leben auf der Baustelle der Stadtautobahn Aspern im Nordosten von Wien. Doch es sind keine Bauarbeiter*innen, die hier am Werk sind, sondern Aktivist*innen. Sie bereiten Frühstück zu, malen Transparente und diskutieren, wie es weitergehen soll mit der Baustellenbesetzung. An der Stelle, wo die Aktivist*innen seit dem Morgen ihre Zelte aufgeschlagen haben, will die Österreichische Infrastrukturgesellschaft Asfinag eine Zubringerstraße für die umstrittene Lobau-Autobahn bauen. Diese soll unterirdisch durch einen Nationalpark führen. Die Aktivist*innen wollen das verhindern.
Laut Berechnungen der Asfinag sollen später täglich im Schnitt rund 120 000 Autos durch den Tunnel unter der Lobau durchfahren. Die Lobau, ein Auengebiet entlang der Donau, ist deshalb zum Kristallisationspunkt für die Auseinandersetzung um die Verkehrspolitik Österreichs geworden. In einem Land, in dem der Verkehr den größten Anteil am CO²-Ausstoß einnimmt.
Die Befürworter des Projektes sehen in der Stadtautobahn Aspern und der Untertunnelung der Lobau eine Entlastung für die Ortschaften, die derzeit unter dem Durchgangsverkehr leiden. Die Gegner*innen bewerten dies anders: Sie argumentieren, dass durch die Stadtautobahn und die Lobau-Autobahn zusätzlicher Verkehr entstehe, weil der Ausbau das Autofahren attraktiver mache. Und dann sind da noch die Kosten des Projektes: Die Asfinag sieht bis 2023 fast acht Milliarden Euro Staatsverschuldung für den Autobahnneubau vor - Geld, das viele Menschen lieber in den Ausbau von öffentlichem Nahverkehr und Schienennetz investiert sähen.
Bei der Besetzung dabei ist auch Lena Schilling vom Jugendrat Wien, sie war lange eines der bekanntesten Gesichter von der lokalen Fridays-For-Future-Gruppe. »Während die Klimakrise bereits mit Waldbränden und Überschwemmungen zuschlägt und Menschen zur Flucht zwingt, baut Michael Ludwig neue Autobahnen«, empört sie sich. Ludwig ist der sozialdemokratische Bürgermeister Wiens.
Auffallend ist, wie viele junge Leute auf der Baustelle campen. Während der Altersdurchschnitt auf dem angemeldeten Camp einige hundert Meter weiter noch etwas höher ist, sind es bei der Besetzung vor allem Jugendliche und junge Erwachsene. Viele von ihnen waren mit der Bewegung Fridays For Future (FFF) zum ersten Mal auf der Straße. Neu ist, dass sich FFF Wien auch offen zu Blockaden, wie der auf der Baustelle, bekennt. »Das kommt auch daher, dass viele bei FFF erkannt haben, dass nette Appelle allein nichts nützen«, erklärt die Aktivistin Laura auf der Baustelle. Sie heißt eigentlich anders, will ihren richtigen Namen aber nicht veröffentlicht sehen. Denn auch, wenn es bislang keine Festnahmen gab, ist die Besetzung illegal.
Am Dienstagmorgen rückte die Polizei an, um zu räumen, brach den Einsatz dann aber ab. Seither ist es ruhig. Die Zurückhaltung der Staatsmacht erklären sich viele Aktivist*innen damit, dass die Stadt Wien brutale Bilder vermeiden will. Vermutlich, erklärt Laura, spekulierten die Verantwortlichen darauf, dass den Aktivist*innen früher oder später die Luft ausgehe. In der Wiener Klimabewegung arbeitet man dagegen darauf hin, dass das nicht der Fall sein wird. Es sind mehrere Dutzend Aktivist*innen, die sich bei der Besetzung abwechseln. Auch Laura will bleiben: »Wer mitten in der Klimakrise weiter Autobahnen baut, der muss sich auf Widerstand gefasst machen.«
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