Kühler Empfang in Washington

Staatsbesuch in den USA: Selenskyj unterzeichnet strategische Partnerschaft. Doch Kiew hatte mehr erhofft

  • Denis Trubetskoy, Kiew
  • Lesedauer: 4 Min.

Auf sein Treffen mit US-Präsident Joe Biden hatte Wolodymyr Selenskyj lange warten müssen: Noch vor dem Genfer Treffen zwischen den USA und Russland im Juni sagte Washington dem ukrainischen Präsidenten einen persönlichen Empfang zu - verschob den Termin dafür dann aber gleich mehrmals. Zuletzt kam der ursprünglich für den 31. August angesetzten Zusammenkunft der Abschluss des US-Truppenabzugs auf Afghanistan dazwischen. Selenskyj musste das Flugzeug in die USA erst einen Tag später besteigen.

In Kiewer Regierungskreisen war man zudem äußerst unzufrieden, dass der Besuch nicht vor der Einigung Deutschlands und der USA in Sachen Nord Stream 2 Ende Juli möglich war. Die Ukraine steht der deutsch-amerikanischen Annäherung skeptisch gegenüber und fürchtet, dass die umstrittene Ostseepipeline Russland die Möglichkeit gibt, künftig auf den Gastransit durch ukrainische Röhren zu verzichten. Damit würden dem Land Millioneneinnahmen aus dem Gastransit entgehen. Nicht nur hinter verschlossenen Türen war daher von der Vernachlässigung der Interessen eines Partners die Rede. Die ukrainische Kritik am Westen wurde immer lauter. Zu dieser abgekühlten Stimmung passte auch der ungewöhnlich bescheidene Empfang der Bundeskanzlerin Merkel am Kiewer Flughafen Mitte Juli.

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Somit war von Anfang an klar, dass der Besuch für Kiew vor allem symbolischen Charakter hatte und die unveränderten Unterstützung durch die USA unterstreichen sollte - trotz der Kontroverse um Nord Stream 2. Ob das tatsächlich gelungen ist, bleibt jedoch fraglich. Obwohl Selenskyj und Biden länger als zwei Stunden miteinander sprachen, blieb die Öffentlichkeit von dem Treffen praktisch ausgeschlossen. So gab es keine gemeinsame Pressekonferenz und auch die Statements der Präsidenten wurden nach dem Treffen nicht live übertragen. Journalisten wurden die Stellungnahmen lediglich in Schriftform überreicht.

Greifbares Ergebnis der Verhandlungen war eine fünfteilige Erklärung über die strategische Partnerschaft zwischen der Ukraine und den USA. In dieser wurde auch der in der ukrainischen Verfassung festgeschriebene Kurs auf eine Nato-Mitgliedschaft des Landes noch einmal unterstrichen. Konkrete Informationen über den Weg zu einem Membership Action Plan - der Vorbedingung für einen späteren Beitritt zum Bündnis - fehlen allerdings nach wie vor. Auch der von Kiew seit Jahren angestrebte Status als Hauptverbündeter der USA außerhalb der Nato blieb unerwähnt. Im Verteidigungsbereich wurden Kiew dagegen 60 Millionen US-Dollar für den Kauf von Waffen wie der Panzerabwehrlenkrakete Javelin zugesprochen.

Im Energiesektor verkündeten die Ukraine und die USA den Beginn eines strategischen Dialog. Dieser soll sich - in Anlehnung an die von Berlin und Washington vereinbarten Investitionen in alternative Energiequellen - vor allem auf die Frage der Produktion von grünem Wasserstoffs erstrecken. Zusätzlich wollen die USA dafür sorgen, dass der Transit russischen Gases über die Ukraine auch nach dem Auslaufen des aktuellen Vertrages im Jahr 2024 weitergeht. In der Vereinbarung wird noch einmal bekräftigt, dass die Ukraine in dieser Frage durch einen Sonderbeauftragten unterstützt wird. Möglichen Sanktionen für den Fall, dass Russland Nord Stream 2 als politische Waffe missbraucht, fehlen aber in dem Text. Allerdings sprach Selenskyj nach dem Treffen vor Journalisten von einem Versprechen Bidens in diese Richtung hinaus bekommt die Ukraine einen drei Milliarden US-Dollar schweren Kredit für den Kauf US-amerikanischer Waren.

Aber auch Kritik war zu vernehmen. So forderte Biden Kiew auf, unverzüglich die Wahl des neuen Chefs der Sonderstaatsanwaltschaft für Korruption anzusetzen, welche durch einen internen Interessenkonflikt verschleppt wird: Angeblich ist Selenskyjs Präsidialbüro wenig von einem vom Westen favorisierten Kandidaten begeistert, der bei der Wahl gute Chancen hätte.

Insgesamt war die US-Reise von Selenskyj sicher kein Durchbruch, obwohl sein Team diese als äußerst erfolgreich darstellt. Als Bestätigung der vollen Unterstützung Kiews kann sie nicht dienen, zumal die ukrainische Regierung offenbar insgeheim hoffte, als Kompensation für Nord Stream 2 weitere Zugeständnisse zu bekommen, welche in der Vereinbarung von Deutschland und den USA noch nicht standen. Die vergleichbar geringe Aufstockung der Militärhilfen dürfte nur als kleines Trostpflaster dienen. Und so verschärft sich die Krise in den Beziehungen zwischen Kiew und dem Westen weiter, auch wenn dies vom Präsidenten Selenskyj anders kommuniziert wird.

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