»Starker Kaffee, starke Gewerkschaften«

Wie viele Fast-Food-Unternehmen in den USA ist Starbucks eine mitbestimmungsfreie Zone. In Buffalo soll sich dies nun ändern

  • Anjana Shrivastava, Buffalo
  • Lesedauer: 4 Min.

Starbucks prägt die modernen Innenstädte: An hektischen Plätzen verbreiten die Cafés ein wohliges Vorortgefühl. An der US-Westküste gegründet, möchte das Unternehmen die italienische Kaffeekultur globalisieren. Den teuren Kaffee gibt es inzwischen weltweit in etwa 32 000 Filialen. Marketingchef Howard Schultz propagierte Starbucks als »dritten Ort« neben Heim und Büro, aber mit den Vorteilen von beiden: mit komfortablen Sesseln und Steckdosen für das digitale Arbeiten.

Doch aus Buffalo im US-Bundesstaat New York kommt jetzt etwas Neues auf die Firma zu. In den kommenden Wochen wollen 48 Mitarbeiter aus drei der 20 Läden in der Großstadt die Gewerkschaft »Starbucks Workers United« gründen. Sie sind überzeugt, dass wegen der Unzufriedenheit über Unterbesetzung, unberechenbare Schichtpläne und ungenügende Bezahlung zum ersten Mal seit 30 Jahren bei Starbucks Mitbestimmung erzwungen werden kann.

Ein Beteiligter, Brian Murray, erfuhr von der Initiative, als er dem Wahlkampf der sozialistischen Bürgermeisterkandidatin India Walton beiwohnte. Sie unterstützt das Vorhaben bei Starbucks und verweist stolz auf die Gewerkschaftsbildung bei der kleinen Kaffeehauskette Spot in Buffalo im Jahr 2019.

Brisant ist der Vorgang, weil die Fast-Food-Industrie notorisch resistent gegen Mitbestimmung ist. Zu instabil das Geschäft, zu wenig dauerhaft die Beschäftigung. Sollten sich die Mitarbeiter in Buffalo durchsetzen, wäre das auch ein wichtiger Etappensieg in der Gaststättenbranche, die fast jeden zehnten US-Arbeiter in der Privatwirtschaft beschäftigt.

Starbucks sieht sich als progressives Unternehmen, nennt die Mitarbeiter »Partner«, doch bis jetzt hat die Firma die Ankündigung der Initiative nicht mit dem üblichen Versprechen fairer Wahlen beantwortet. Das Unternehmen lobt indes seine sozialen Angebote wie Krankenversicherung bei Teilzeitstellen oder die Übernahme von Gebühren für Fernstudien. Daher sei eine Gewerkschaft nicht nötig. Doch in diesem Jahr wurde das Unternehmen offiziell von der US-Arbeitsschutzbehörde National Labour Board Association gerügt, weil es zwei Mitarbeitern in Philadelphia gesetzeswidrig kündigte, weil diese eine Gewerkschaft gründen wollten. Starbucks ging in die Revision, die noch anhängig ist. Doch die Geheimnisse der Gewerkschaftsbekämpfung wurden durch den Vorgang gelüftet.

Bis jetzt hat Starbucks immer erfolgreich Gewerkschaften bekämpft: durch Druck auf Manager und Belegschaft, Entlassungen von Aktivisten sowie Transfers von »Pro-Starbucks«-Arbeitern in betroffene Läden. Vor vielen Jahren gab es eine Gewerkschaft in Seattle, die versuchte, mit der Firma zu expandieren. 1987 wurden Flugblätter verteilt, die fehlende Krankenversicherung und willkürliche Entlassungen anprangerten. »Jetzt hat der beste Kaffee der Welt einen bitteren Beigeschmack«, hieß es darin. Doch die Mitarbeiter wurden überzeugt, die Gewerkschaft aufzugeben. Starbucks Parole: »Es wird Dir immer besser ohne Gewerkschaft gehen«.

Die erfolgreiche Kampagne bei Spot Coffee in Buffalo zeigt dagegen die Bedeutung lokaler Faktoren. Als sich die Geschäftsführung der Kette nicht kooperativ zeigte, folgten Boykott und Streik. Viele Bürger seien solidarisch gewesen, weshalb das Unternehmen eingelenkt habe, wie Workers-United-Mitglied Zach Anderson dem »Barista Magazine« sagte. Der Kampfspruch lautete: »starker Kaffee, starke Gewerkschaften«. Mit dem Arbeitskampf wurden eine bessere Entlohnung und bezahlter Krankenurlaub erreicht.

Bei Starbucks spielt auch eine Rolle, dass das Konzept des »dritten Ortes« in der Pandemie stark gelitten hat. Die Abwesenheit der Büroangestellten, die jetzt im Homeoffice arbeiteten, sorgte für massive Umsatzeinbrüche. Starbucks vermeldete einen Verlust von 3,2 Milliarden Dollar allein im dritten Quartal 2020. Für das gesamte vergangene Jahr erbat das Unternehmen von seinen Vermietern eine Mietstundung. Gleichzeitig wurden Pläne für mehr Bestellungen durch Apps und Drive-In-Coffees beschleunigt. Alte Läden wurden zu Hunderten geschlossen und neue entgegen dem bisherigen Konzept oft als schnelle Kaffeeausgabestelle konzipiert. Es werden auch keine Zeitungen mehr an der Theke verkauft. Gleichzeitig führt die Firma tempelartige Megastores ein, mit gigantischen Kaffeebohnen-Behältern und Hunderten Mitarbeitern.

Damit kam es aber zu neuen Problemen für die Mitarbeiter. Wegen des zunehmenden Drucks, ein Kaffeehaus überhaupt halten zu können, wurde eine digitalisierte Schichtplanung eingeführt, die Zumutungen mit sich brachten. Das »Clopening«, also das Arbeiten bis zur Schließung am Abend und dann wieder bei der Öffnung am frühen Morgen, führte dazu, dass manche Beschäftigte auf dem Gehsteig schlafen mussten, wie die »New York Times« berichtete.

In Buffalo will man dem nun entgegenwirken. Das Motto der Sozialistin India Walton, die gute Chancen hat, in der Hochburg der Demokraten im November zur Bürgermeisterin gewählt zu werden: »der Aufbau einer sicheren und gesunden Stadt«.

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