Keine Werbung ohne Gegenleistung

BGH urteilt zu Influencerinnen im Internet

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.

Wann ist Werbung Werbung; ist Werben um Werbung auch schon Werbung; ist, wenn alles Werbung ist, nichts mehr Werbung? Es sind fast schon philosophische Fragen, die der Bundesgerichtshof (BGH) an diesem Donnerstag zu klären hatte. Am Fall dreier sogenannter Influencerinnen bahnt sich das hohe Gericht urteilend einen Weg durch das Dickicht der digitalen Medienvielfalt. Und wie so oft, wenn Hochphilosophisches auf Recht und Gesetz heruntergebrochen wird, steht am Ende: »Es kommt darauf an.«

Bilder und Darstellungen von Produkten auf Kanälen von Influencern müssen nicht in jedem Fall als Werbung gekennzeichnet sein, so die Karlsruher Richter – wenn sie nicht »zu werblich« daherkommen, die Influencer keine Gegenleistung erhalten und nicht direkt verlinkt werden. In den vorliegenden Fällen hatte der Verband Sozialer Wettbewerb drei Influencerinnen wegen nicht gekennzeichneter Werbung abgemahnt. Die Influencerinnen lehnten die Forderung des Verbandes, zu denen auch die Abmahnkosten gehörten, ab, so dass dieser vor Gericht zog.

Technisch betrachtet ging es dabei um folgendes: Bilder auf den jeweiligen Profilen wurden mit »Tab Tags« versehen, das sind anklickbare Bereiche, die Links, etwa zu Herstellern oder Anbietern der Produkte, enthalten. Diese müssten aber immer als »Werbung« oder »Anzeige« ebenso gekennzeichnet werden, wie die Werbung für ihr eigenes Unternehmen, argumentierte der Verband. Die Richter gaben ihm aber nur einem von drei Fällen recht: Dort wurde von einem Unternehmen für die Werbung bezahlt, der Gesamteindruck sei »übertrieben werblich«, ohne kritische Distanz, gewesen. Liege solch ein »werblicher Überschuss« vor, müsse die Werbung auch als solche gekennzeichnet werden.

Nun betrachten sich die Influencerinnen teils selbst als Marken, unter deren Namen sie wiederum eigene Produkte und Dienstleistungen anbieten. In diesem Moment wird die Rechtslage eine andere: Die beiden anderen Influencerinnen hätten zwar für sich und ihre eigene Firma geworben – da aber keine Gegenleistung dafür von einer anderen Partei, zum Beispiel einem anderen Unternehmen, geleistet wurde, müsse dies dann auch nicht als Werbung gekennzeichnet werden. Der Gesetzgeber ist angesichts der Problematik schon regelnd in Vorleistung getreten: Ab 2022 müssen nur Beiträge als »Anzeige« gekennzeichnet werden, wenn sie hierfür auch eine Gegenleistung erhalten.

Die Bewertung darüber, wann eine Werbung zu »übertrieben werblich« ist, hat der BGH momentan leider an den Einzelfall gebunden. Die drei Fälle zeigen aber wieder einmal auf, wie die Rechtslage und die Wirklichkeit auseinanderklaffen. In dem Moment, wenn sich Influencer und Influencerinnen als eigene Marke darstellen, ist jedes öffentliche Tun und Sagen Eigenwerbung – manche von ihnen blenden während ihrer Beiträge tatsächlich »Dauerwerbesendung« ein, ohne Scherz. Innerhalb einer Werbesendung (für sich selbst) noch die Werbung (für andere) zu kennzeichnen scheint einigermaßen lebensfremd. Für den BGH ist es aber nur Werbung, wenn es eine Gegenleistung einer anderen Partei gibt. Eigenwerbung ist de facto rechtlich irrelevant, weil man sich selbst zwar etwas leisten, aber nicht gegenleisten kann. Es sei denn, man spaltet seine Influencerpersönlichkeit, deren Vermarktung gerade auf »Authentizität« beruht, in einen »redaktionellen Teil« und einen »Anzeigenteil« – was mit unterschiedlichen Kommunikationskanälen für unterschiedliche Zwecke teilweise schon geschieht.

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