- Politik
- 11. September / US-Dollar
Netze im Finanzstrom
Wie die Vereinigten Staaten seit 9/11 ihre Währung und ihre Banken als Waffe gegen missliebige Regierungen einsetzen
Mit den Besatzungstruppen ist auch das Geld abgezogen: Die USA haben der neuen Regierung Afghanistans den Geldhahn zugedreht. Durch die finanziellen Sanktionen steht das Land nun vor einer tiefen Wirtschaftskrise. »Die Taliban sind die US-Soldaten los, aber nicht den Dollar«, kommentiert die Finanzagentur Bloomberg. Afghanistan ist das jüngste Beispiel dafür, wie Washington die Macht seiner Währung nutzt – eine Strategie, die es im »Krieg gegen den Terror« perfektioniert hat.
Mit dem Verbot, sich das US-Geld zu verschaffen, haben die Vereinigten Staaten eine mächtige Waffe gegen Regierungen in der Hand. Denn der Dollar ist nicht nur das Geld der USA, sondern der ganzen Welt. Wer global Geschäfte machen will, der braucht die US-Devise. Sie wird überall akzeptiert. Unternehmen bezahlen grenzüberschreitend mit Dollar, Finanzinvestoren nutzen ihn als Basis für Spekulationsgeschäfte, Staaten horten ihn: Der Dollar macht über 62 Prozent aller Devisenreserven der Zentralbanken aus, der Euro kommt nur auf 20 Prozent, Chinas Renminbi auf zwei Prozent.
Die meisten ärmeren Staaten brauchen den Dollar daher, um Importe zu bezahlen. Denn Währungen wie der Afghani, der iranische Rial oder das sudanesische Pfund werden im internationalen Handel nicht akzeptiert. Das macht sich die US-Regierung zu Nutze: Seit dem 11. September 2001 überwacht sie verstärkt die globalen Finanzströme, um Regierungen vom Dollar-Fluss abzuschneiden und so unter Druck zu setzen.
Das war früher anders. So konnte sich im Kalten Krieg die Sowjetunion Dollar bei europäischen Banken leihen. Dass die US-Regierung nicht wusste, wer auf der Welt sich ihre Währung verschaffte, kümmerte sie jahrzehntelang nicht. Das änderte sich mit dem »Krieg gegen den Terror«. In ihm, sagte von 20 Jahren Außenminister Donald Rumsfeld, »sind wirtschaftliche und finanzielle Maßnahmen so wichtig wie militärische«.
Bei der Überwachung des Weltfinanzmarkts nutzen die USA heute insbesondere die zentrale Stellung der New Yorker Banken im internationalen Zahlungssystem, das über Korrespondenzbanken abgewickelt wird. Ein vereinfachtes Beispiel: Wenn ein iranisches Unternehmen eine Maschine in Deutschland kaufen will, wird die Zahlung über die deutsche und die iranische Bank abgewickelt. »Da nun aber nicht alle Banken auf der Welt miteinander in Kontoverbindung stehen, müssen dritte und vierte Banken als Vermittler eingeschaltet werden«, erklärt der Finanzwirtschaftler Friedrich Theißen in einem Artikel im »Wirtschaftsdienst«. Es lasse sich dabei praktisch immer eine Kette von Banken finden, die miteinander Kontoverbindungen haben. Die wichtigsten Vermittler in diesem System sind jene Banken, die von vielen Marktteilnehmern benutzt werden. Und diese zentralen Knoten sind die großen US-Banken, die in der ganzen Welt Geschäfte finanzieren und für Kreditinstitute Zahlungsaufträge weiterleiten. Sie haben damit die nötigen Informationen – und müssen sie inzwischen an Washington weiterleiten.
Daneben setzt die Überwachung bei der Übermittlung von Buchungsdaten durch die in Belgien ansässige Genossenschaft Swift an. Swift hat ein Netzwerk standardisierter Nachrichten entwickelt, über das der weltweite Auslandszahlungsverkehr abgewickelt wird. Durch das 2010 geschlossene Swift-Abkommen mit der EU erhalten die USA nun Zugang zu allen Überweisungsdaten und damit zu den Hintergründen von Zahlungen. Zudem können die USA, wie im Fall Iran, Banken eines Landes vom Swift-System abklemmen. Damit wäre eine Bank »faktisch vom internationalen Zahlungsverkehr abgeschnitten«, so Theißen.
Ergebnis: »Spätestens seit 2009 erfahren die US-Banken und die sie beaufsichtigenden Behörden die Identität der wirtschaftlich Begünstigten jeder einzelnen Dollar-Transaktion weltweit«, erklärt Ulrich Leuchtmann von der Commerzbank. »Damit haben die US-Behörden die Möglichkeit, Sanktionen weltweit zu erzwingen – nicht nur bei heimischen Banken, sondern auch bei ausländischen.« Denn Washington kann auch europäischen Geldhäusern damit drohen, ihnen den Zugang zum Dollar und zum US-Finanzsystem zu versperren, sollten sie den US-Sanktionen nicht Folge leisten. Und das kann sich keine Bank leisten.
»Nur der Status des Dollars als Welt-Leitwährung verschafft den USA die Möglichkeit, ihre Sanktionspolitik weltweit durchzusetzen«, erklärt Leuchtmann und bebildert dies an einem Beispiel: Sollte Norwegens Regierung Ähnliches versuchen, könnten Banken und Personen mühelos Zahlungen in norwegischer Krone vermeiden. »Keine überregional agierende Bank hat diese Wahl, wenn es um den Dollar-Zahlungsverkehr geht – eben weil die US-Währung Welt-Leitwährung ist.« Und daran wird sich so bald nichts ändern. Weder der Euro noch der chinesische Renminbi haben das Zeug dazu, den Dollar als Geld der Welt zu ersetzen.
Über den Dollar-Hebel setzen die USA Länder unter Druck, von Kuba über Sudan, von Iran bis nach Russland. So droht Washington regelmäßig damit, US-Banken den Kauf und Verkauf russischer Staatsanleihen zu untersagen, womit Moskau von der wichtigsten internationalen Finanzquelle abgeschnitten wäre. Eine solche »nukleare Option wäre eine wesentliche Eskalation im Konflikt, die zumindest für einige europäische Länder zu weit gehen könnte«, sagte Pjotr Matys von der niederländischen Rabobank. Zudem könnte durch eine solche Maßnahme das Weltfinanzsystem in Turbulenzen geraten, warnte 2018 die US-Zentralbank.
Im Falle Afghanistans ist solche Rücksichtnahme nicht nötig. Das Land ist bitterarm, Auslandshilfen machten zuletzt 40 Prozent der Wirtschaftsleistung aus. Diese Hilfen braucht es vor allem zum Bezahlen von Importen, da Exporteinnahmen fehlen. So kann die US-Regierung nun die neue afghanische Regierung aushungern – und gleichzeitig versprechen, im Falle von Wohlverhalten den Geldhahn wieder aufzudrehen. »Im Krieg gegen den Terror«, so das Washingtoner Institut PIIE, »dienen finanzielle Sanktionen sowohl als Strafe wie als Lockmittel.«
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.