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Italien fährt Kurs Richtung Impfpflicht
Regierung führt im Kampf gegen Covid-19 ab Mitte Oktober eine strenge 3-G-Regel ein
Italiens Regierung zieht das Tempo an. In vielen Bereichen wird ein Impfnachweis, der sogenannte Green Pass, gefordert. Gegen den Widerstand der Opposition hat die Regierung unter Premier Mario Draghi die Corona-Regeln verschärft: Nicht nur im Gesundheits- und Bildungswesen, sondern in vielen Bereichen der Wirtschaft müssen Mitarbeiter einen Impfnachweis erbringen. Dies geschieht hierzulande unter Vorweisen des »Green Pass«, einem meist digitalen Nachweis, dass man gegen Covid-19 immunisiert ist oder negativ getestet. In der Lombardei erzielte das Anziehen der Maßnahmen erstaunliche Ergebnisse: Binnen eines Tages verdoppelten sich die Impfraten. Waren am 15. September noch 6231 Bürger zum Impfen angemeldet, so einen Tag später bereits 13 791. Ab 15. Oktober ist das Vorweisen des Green Pass in allen öffentlichen und privaten Arbeitsstellen Pflicht.
Mittlerweile sind zwei Jahre ins Land gegangen, seit das Virus Sars-CoV2 eine Pandemie auslöste, die allein in Italien bislang 130.284 Todesopfer forderte. Gegenwärtig fürchtet Italien eine vierte Infektionswelle. Besonders die hoch ansteckende Delta-Variante verbreitet sich stark. Besonders beunruhigt zeigen sich die Gesundheitsexperten von der steigenden Anzahl der Patienten, die zur intensiven Behandlung in die Krankenhäuser eingeliefert werden müssen. Allen vor Augen stehen noch die Bilder aus dem Frühjahr 2020, als die Kliniken in Bergamo und Mailand vor dem Kollaps standen und die Sterberate unkontrolliert in die Höhe schoss.
Dabei ist der aktuelle Impfstand in Italien nicht einmal schlecht: Bis Ende September wird erwartet, dass 80 Prozent der über Zwölfjährigen mindestens einmal mit einem Anti-Covid-Vakzin geimpft wurden. Doch dies, so die Medizinier und Virologen des Wissenschaftlich-Technischen Komitees beim Gesundheitsministerium, reiche angesichts der neuen Infektionswelle nicht aus. Soll ein erneuter landesweiter Lockdown vermieden werden, ist eine Immunisierung von mindestens 90 Prozent der Bevölkerung erforderlich, so die Wissenschaftler. Doch einen erneuten Lockdown verkraftete die italienischen Wirtschaft nicht, sind sich Ökonomen und Finanzexperten einig. Deshalb hat sich die Draghi-Administration jetzt zu den drastischen Kontrollschritten entschlossen und erwägt, sollten die jetzigen Maßnahmen nicht greifen, eine Impfpflicht.
Ihre volle Unterstützung für diese Pläne der Regierung haben die großen Gewerkschaften Italiens - CGIL, CSIL und UIL - angekündigt. In einem gemeinsamen Brief an den Ministerpräsidenten bestätigten die Vorsitzenden Maurizio Landini, Luigi Sbarra und Pierpaolo Bombardieri ihre »volle Unterstützung der Maßnahmen der Regierung bei der Umsetzung des Impfprogramms und der Sicherheitsvorkehrungen sowie alle verfassungsgemäßen Maßnahmen, die zum Schutz unserer Bevölkerung unternommen werden, damit wir gemeinsam aus dieser Pandemie herauskommen können.«
Allerdings, so erklärte der Chef der CGIL, Maurizio Landini, könne es nicht sein, dass die Arbeiter Tests selbst bezahlen müssen, um an ihren Arbeitsplatz zu gelangen. »Das Recht auf Arbeit ist von der Verfassung geschützt«, so Landini, »es kann nicht sein, dass die Arbeitenden zehn Prozent ihres Salärs dafür zahlen sollen, um dieses Recht wahrzunehmen.« Zudem ginge es nicht nur darum, die Beschäftigten, sondern die ganze Bevölkerung zu schützen und zu impfen. Bis die neue Verordnung Mitte Oktober in Kraft trete, gäbe es noch Nachbesserungsbedarf, den man mit der Regierung verhandeln werde. Insgesamt stehe man jedoch hinter den Maßnahmen der Regierung. Umfragen zufolge stimmen auch acht von zehn Italienern den Draghi-Plänen zu.
Mit der neuen Gesundheitskampagne hofft Mario Draghi, erheblichen wirtschaftlichen Schaden von Italien abwenden zu können. Trotz der Pandemie befindet sich das Land gegenwärtig in einer Erholungsphase. Die, so betonte Draghis Koalitionspartner Enrico Letta von dem sozialdemokratischen Partito Democratico, solle keinesfalls gestört werden. Letta plädierte für einen Fortbestand der aktuellen Regierungskoalition bis zum Legislaturende 2023.
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