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Argentiniens Regierung streitet über Kurs
Vizepräsidentin Cristina Kirchner nimmt den Präsidenten Alberto Fernández an die kurze Leine
Er steht unter Beschuss: Argentiniens Wirtschaftsminister Martín Guzmán, ein Quereinsteiger aus der Wissenschaft. Trotz heftiger Kritik aus der Regierungsallianz Frente de Todos (Gemeinsame Front) an seinem Sparkurs wurde Guzmán gerade in seinem Amt bestätigt. Er ist auch für die schwierigen Umschuldungsverhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zuständig, bei dem Argentinien milliardenschwer in der Kreide steht. Am Mittwoch werden 1,87 Milliarden Dollar fällig.
Guzmán darf vorerst bleiben, andere Kabinettsmitglieder mussten gehen oder wurden versetzt. Vorausgegangen war ein tagelanger Richtungsstreit in der Regierungsallianz. Den Grund dafür lieferte die schwere Niederlage bei den Vorwahlen am 12. September, bei der die Kandidat*innen für die Teilwahlen zum Kongress bestimmt wurden. Im November werden die Hälfte der Delegierten des Abgeordnetenhauses sowie ein Drittel des Senats neu gewählt. Sollte sich das schlechte Ergebnis dann wiederholen, würde die Regierung in beiden Kammern keine Mehrheit mehr stellen.
Hinter der Regierungskrise steht die unterschiedliche Analyse der Niederlage. So räumte Präsident Alberto Fernández zwar ein, »nicht alles gut gemacht zu haben«, wollte vorerst aber nur geringe Änderungen seiner Regierungspolitik vornehmen und personelle Änderungen im Kabinett bis nach der Wahl im November verschieben. »Dies ist nicht die Zeit, Streitigkeiten auszufechten, die uns nur von unserem Weg abbringen«, hatte er noch versucht, zur Geschlossenheit aufzurufen.
Andere Schlussfolgerungen zog Vizepräsidentin Cristina Kirchner, die von 2007 bis 2015 selbst Präsidentin war: »Ich habe immer gesagt, dass eine falsche Sparpolitik betrieben wird, die sich negativ auf die Wirtschaftstätigkeit und damit auf die Gesellschaft insgesamt auswirkt, und dass dies zweifellos Folgen für die Wahlen hat«, schrieb sie in einem auf ihrer Internetseite veröffentlichten Brief. Statt auf die Folgen der Corona-Pandemie ähnlich wie die USA oder die Europäische Union mit einer deutlichen Anhebung der Staatsausgaben zu reagieren, hätte Argentinien Sparpolitik betrieben.
Zugleich erinnerte sie den Präsidenten daran, wer ihn ins Amt gehievt hatte. »Am 18. Mai 2019 habe ich Alberto Fernández allen Argentiniern als Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Nation vorgeschlagen«, schrieb die Vizepräsidentin in ihrem Brief. Selbst in dem überraschungserprobten Argentinien war der damalige Vorschlag, sich selbst als Kandidatin für den Vizeposten aufzustellen und zugleich den Präsidentschaftskandidaten zu nominieren, ein absolutes Novum. Der spätere Wahlerfolg gab ihr recht.
Was damals als genialer politischer Schachzug interpretiert wurde, ist jedoch zugleich der Geburtsfehler dieser Regierungsallianz. Dass die Vizepräsidentin das Machtzentrum ist, um das die Regierungsallianz einschließlich Präsident Fernández kreist, sorgt seit dem Regierungsantritt für interne Spannungen, die sich angesichts der Folgen der Pandemie weiter verschärften. Deutlich wird dies vor allem bei der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Während Fernández einen gemäßigten Ausgabenkurs fährt, der auch eine Neuregelung der immensen Staatsverschuldung allen voran mit dem IWF im Auge hat, drängt die Vizepräsidentin auf eine konsumorientierte drastische Erhöhung der Staatsausgaben, notfalls mithilfe der Notenpresse.
Wirtschaftsminister Martín Guzmán orientierte sich am Präsidenten und fuhr bisher einen vorsichtigen Sparkurs. Die zusätzlichen Einnahmen aus den Exportsteuern für Getreide- und Ölsaaten halfen ihm beim Konsolidierungskurs. Allen voran der Weltmarktpreis für Sojabohnen war zu Beginn des Jahres kräftig gestiegen. Statt die zusätzlichen Einnahmen unter der Bevölkerung zu verteilen, blieb Guzmán unter dem für 2021 prognostizierten Haushaltsdefizit.
Genau darauf zielt die harsche Kritik von Cristina Kirchner. So habe der Wirtschaftsminister bis Ende August weniger als die Hälfte des im Haushalt 2021 veranschlagten Defizits ausgeschöpft, erklärte sie.
Mit der Neubesetzung des wichtigen Postens des Kabinettschefs und dem angekündigten »Konsumschock« hat Präsident Alberto Fernández auf Kirchners Ansinnen reagiert. So soll der Mindestlohn angehoben werden, und die Renten, auch Einmalzahlungen sind in der Diskussion. Und auch personell hat Fernández reagiert. Während er seinen bisherigen Kabinettschef Santiago Cafiero auf den weniger bedeutsamen Posten des Außenministers von Argentinien versetzte, ernannte er den bisherigen Gouverneur der Provinz Tucumán, Juan Manzur, zum neuen Kabinettschef – auf Vorschlag von Vizepräsidentin Cristina Kirchner.
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