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Die russische Schattenarmee

Ausbilden, kämpfen, Interessen verteidigen: Die Gruppe Wagner übernimmt Moskaus Aufträge im Ausland. In Russland ist die Söldnertruppe verboten

  • Birger Schütz
  • Lesedauer: 4 Min.

Russische Söldner in Mali? Die Regierung des westafrikanischen Staates gibt sich verwundert. Vorwürfe über einen kurz bevor stehenden Einsatz von bis zu 1000 russischen Privatsoldaten weise man entschieden zurück, hieß es am vergangenen Sonntag aus der Hauptstadt Bamako, in der seit 2020 Militärs den Ton angeben. Pressemeldungen von Verhandlungen mit der russischen Wagner-Gruppe seien nichts mehr als Gerüchte. Ähnlich hatte vier Tage zuvor der Kreml reagiert. »Es gibt dort keine Vertreter der russischen Streitkräfte und es finden keine offiziellen Gespräche statt«, kommentierte Kremlsprecher Dmitri Peskow laut der Nachrichtenagentur Interfax. »Davon gehen wir aus.«

Peskows wählt seine Wort mit Bedacht, die eigentliche Aussage steckt im Detail: Zwar streitet der Kreml die Präsenz regulärer russischer Soldaten in dem Sahel-Staat ab. Einen Einsatz russischer Söldner schließt Peskow damit allerdings nicht aus. Und das ist auch nicht weiter verwunderlich: Denn eigentlich dürfte es die Gruppe Wagner gar nicht geben. Das russische Strafgesetzbuch verbietet die Existenz privater Militärfirmen. Kampfeinsätze russischer Bürger für nichtstaatliche Sicherheitsunternehmen sind somit illegal.

Seit einem halben Jahrzehnt bestreitet Moskau die Existenz der Gruppe Wagner. Im Fernsehen und dem staatlich kontrollierten Teil der Presse kommt das private Sicherheitsunternehmen mit Basis im südrussischen Krasnodar nicht vor. Nachfragen von Journalisten werden zurückgewiesen. Wer dennoch nachbohrt, setzt sein Leben großen Risiken aus. So wird Denis Korotkow, der 2017 als einer der ersten russischen Journalisten über das Unternehmen schrieb, im Internet von Unbekannten bedroht. Sein Jekaterinburger Kollege Maxim Borodin fiel 2018 unter ungeklärten Umständen vom Balkon. Im selben Jahren wurden drei russische Reporter in der Zentralafrikanischen Republik von Unbekannten erschossen. Sie hatten über Aktivitäten der Wagner-Söldner recherchiert.

Nach Informationen investigativer Reporter ging die Söldnertruppe aus einem anderen Sicherheitsunternehmen hervor: Dem Slawischen Korps, das 2013 im Syrienkrieg erstmals militärische Aufträge übernahm. In diesem kämpfte auch der 1970 geborene Dmitri Utkin. Der Ex-Offizier des russischen Militärgeheimdienstes GRU - Funkrufname Wagner - gilt als Leiter und Namensgeber der Gruppe Wagner, zu der zwischen 1300 und 2500 Söldner gehören sollen. Laut ukrainischen Geheimdienstberichten wurde die Privatarmee erstmals im Mai 2014 auf Seite prorussischer Separatisten im Donbasskrieg eingesetzt. Bereits ein Jahr später tauchten Wagner-Söldner auf dem syrischen Schlachtfeld auf. Dort sollen sie unter anderem Baschar al-Assad 2016 und 2017 bei der Rückeroberung der Stad Palmyra von der Terrormiliz Islamischer Staat unterstützt haben.

Finanziert wird das Sicherheitsunternahmen nach Berichten russischer Investigativmedien von Jewgeni Prigoschin. Der 60-Jährige, der zu Sowjetzeiten unter anderem wegen Raub und Betrug neun Jahre im Gefängnis saß, gehört zu Russlands einflussreichsten Oligarchen und gilt als jemand, der delikate Aufträge für den Kreml übernimmt. Bekannt wurde er als Putins Koch, der mit seinem Cateringunternehmen prunkvolle Empfänge im Kreml ausrichtet, Schulen und Kindergärten beliefert und zeitweise die gesamte russische Armee mit Speisen und Getränken versorgte. Auch im Ausland soll Prigoschin für den Kreml aktiv sein. So macht Washington den millionenschweren Gastronomieunternehmer unter anderem für russische Trollangriffe während der amerikanischen Präsidentschaftswahl 2016 verantwortlich - und setzte ihn auf die Sanktionsliste. Eine entsprechende Anklage ließ US-Sonderermittler Robert Mueller allerdings 2018 fallen. Prigoschin streitet die Vorwürfe ab.

Russische Medien verbinden Prigoschin auch mit Moskaus neu erwachtem Interesse an Afrika. Seit 2018 kämpft Russland auf dem Kontinent wieder um mehr Einfluss, entsendet Polittechnologen und Militärberater und beliefert interessierte Regierung mit Panzern, Hubschraubern und Gewehren. Auch Kämpfer der Gruppe Wagner sind im Einsatz - unter anderem als Militärausbilder. Bis zu 2000 Söldner sollen unter anderem im Sudan, Libyen und der Zentralafrikanischen Republik aktiv sein. Dabei sei es zu schweren Menschenrechtsverletzungen gekommen, heißt es in einem UN-Bericht von diesem Juni. Wagner-Kämpfern seien an Massenhinrichtungen, Vergewaltigungen, willkürlichen Verhaftungen, Folter bei Verhören und Vertreibungen beteiligt. Russland hatte die Anschuldigungen bereits zwei Monate zuvor in einer Stellungnahme zurückgewiesen. Die 500 offiziell in die Zentralafrikanische Republik entsandten Militärberater seien unbewaffnet und nicht an Gewalttaten beteiligt.

In Mali ist die Gruppe seit 2019 aktiv. Basis der Kooperation ist der damals mit Bamako geschlossene Vertrag über die Entsendung russischer Militärausbilder. Im Juni intensivierten die zum Teil noch in der Sowjetunion ausgebildeten Offiziere der Militärregierung den Kontakt zu Russland. Zuvor hatte Paris angekündigt, die Präsenz des französischen Militärs in der Region bis 2023 zu verringern. Moskau wolle nun offenbar Frankreichs Platz einnehmen, spekulierte die »Le Monde«.

Bamakos Kontakte zu Moskau reichen bis 1960 zurück, als die Sowjetunion Malis Unabhängigkeit als eins der ersten Länder anerkannte und mit Krediten unterstützte.

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