Die 6-Prozent-Klausel ist verfassungswidrig
Verfassungsgericht kippt hohe Steuerzinsen
Diese Entscheidung gab das Gericht am 18. August 2021 bekannt. Die Richter forderten den Gesetzgeber auf, ab dem Steuerjahr 2019 realistischere und verfassungskonforme Zinssätze zugrunde zu legen.
Nur wenige Steuerzahler betroffen
»Das Urteil betrifft aktuell nur vergleichsweise wenige Steuerzahler«, sagt Bernd Werner, Vorstand der Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer e. V., Lohnsteuerhilfeverein (Sitz in Gladbeck). »Gleichwohl ist die Entscheidung des Verfassungsgerichtes ein schrilles Signal. Auch wir haben uns bei dem Zinssatz von sechs Prozent immer wieder gefragt: Wieso lässt der Gesetzgeber das einfach weiterlaufen?« Festgelegt wurde der 6-Prozent-Zinssatz bereits im Jahr 1961.
Aktuell könne man nach dem Urteil noch nicht viel unternehmen. Denn nun sei erst einmal der Gesetzgeber gefragt. Das Verfassungsgericht hat diesem bis 31. Juli 2022 Zeit gegeben, »eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen«, so das Verfassungsgericht. Einen Zinssatz oder einen Rahmen dafür hatten die Richter allerdings nicht festgelegt.
Rat: Steuerbescheide prüfen
»Wichtig ist, verspätete Steuerbescheide zu prüfen, ob sie womöglich doch schon Zinszahlungen für den Zeitraum 2019 enthalten«, merkt Bernd Werner weiter an. Weitere Schritte sollte man prüfen, ob das Finanzamt den »Vorläufigkeitsvermerk« zur Festsetzung von Zinsen eingefügt hat.
In Zukunft wird sich das deutlicher auswirken: Wer Steuern nachzahlen muss, der spart, weil er weniger Zinsen zahlen muss. Und anders herum: Die Erstattung vom Finanzamt fällt etwas »dünner« aus, weil die Zinsen niedriger sind.
Zinszahlung bei anderen Steuern
Die Zinsen berechnet das Finanzamt bei der Einkommensteuer aber auch bei der Umsatz-, Vermögens-, Körperschafts- und Gewerbesteuer. Zinsen werden grundsätzlich angesetzt 15 Monate nach Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung). Liegt dann noch kein Steuerbescheid vor, beginnt der sogenannte »Zinslauf«. Dieser endet mit dem Tag, an dem der Steuerbescheid wirksam wird.
Der Fiskus setzt für jeden vollen Monat Zinsen an, und zwar in der Höhe von 0,5 Prozent. Das entspricht einem Jahreszins von sechs Prozent. Der Zinssatz wird sowohl bei Steuererstattungen wie auch bei Steuernachforderungen fällig - im Erstattungsfall dann zugunsten des Steuerzahlers.
Ein Beispiel:
Ein Steuerzahler gab die Steuererklärung 2019 verspätet ab. Den Steuerbescheid erhielt er Ende Juli 2021. Das heißt, 15 Monate nach Ablauf des Jahres 2019 beginnt der Zinslauf. Für April, Mai und Juni (volle Monate) berechnete das Finanzamt jeweils 0,5 Prozent Zinsen.
Das betrifft jedoch nur Steuerzahler, die weder von einem Lohnsteuerhilfeverein noch von einem Steuerberater beraten wurden. Denn für Lohnsteuerhilfevereine gibt es, bedingt durch die Corona-Pandemie, Sonderregelungen für die Steuererklärung 2019. Hier wurde die sonst übliche »Karenzzeit« von 15 Monaten um sechs Monate verlängert.
Lohnenswertes Geschäft für Fiskus
Die Nachzahlungszinsen bei der Einkommensteuer lagen jahrelang weit höher als die Erstattungszinsen. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP hervorgeht, nahm der Fiskus im Jahr 2015 rund 1,37 Milliarden Euro durch Nachzahlungszinsen ein. Demgegenüber standen Erstattungszinsen von nur rund 896 Millionen Euro, die an Steuerzahler ausgezahlt wurden. Im Jahr 2019 kippte dieses Verhältnis zum ersten Mal. Denn der Fiskus zahlte 105 Millionen Euro mehr Zinsen aus als er unterm Strich einnahm.
»Bei verspäteten Steuerbescheiden sollte man immer auch den Verspätungszuschlag im Auge behalten. Denn darüber hat das Verfassungsgericht natürlich nicht entschieden«, sagt Bernd Werner. Der Verspätungszuschlag beträgt mindestens 25 Euro pro Verspätungsmonat. »Wer sich von einem Lohnsteuerhilfeverein oder Steuerberater beraten lässt, der gewinnt Zeit.«
Das gilt übrigens auch noch für die Steuererklärung 2019. Diese mussten Mitglieder eines Lohnsteuerhilfevereins oder Mandanten eines Steuerberaters bekanntlich erst Ende August 2021 abgeben. Steuernews/nd
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