Mann erschießt Kassierer im Streit um Maskenpflicht

Täter sagte aus, dass er die Corona-Maßnahmen ablehnt und ein Zeichen setzen wollte

  • Lesedauer: 4 Min.

Idar-Oberstein. Nach der Tötung eines Tankstellen-Kassierers im Streit über das Tragen einer Corona-Maske gehen die Ermittlungen gegen den 49 Jahre alten Tatverdächtigen weiter. Der Mann ist nach Angaben von Oberstaatsanwalt Kai Fuhrmann bislang polizeilich nicht in Erscheinung getreten. Er soll dem 20-jährigen Verkäufer in Idar-Oberstein (Rheinland-Pfalz) am Samstagabend in den Kopf geschossen haben, nachdem dieser ihn beim Bierkauf zwei Mal auf die Maskenpflicht hingewiesen habe.

Der Deutsche habe die Tat gestanden. Der mutmaßliche Täter sagte aus, dass er die Corona-Maßnahmen ablehne. Zum Motiv habe er angegeben, dass ihn die Situation der Corona-Pandemie stark belaste, so Fuhrmann. Er habe sich in die Ecke gedrängt gefühlt und »keinen anderen Ausweg gesehen«, als ein Zeichen zu setzen. Das Opfer schien ihm dabei »verantwortlich für die Gesamtsituation, da es die Regeln durchgesetzt habe«, sagte Fuhrmann.

Die mutmaßliche Tatwaffe, weitere Waffen und Munition seien bei einer Hausdurchsuchung bei dem Tatverdächtigen von der Polizei gefunden und sichergestellt worden, sagte Fuhrmann. Der Mann habe keine waffenrechtliche Erlaubnis - die Herkunft der Waffen müsse noch weiter aufgeklärt werden. Er wohne in Idar-Oberstein. Weitere Angaben zur Person wollte Fuhrmann zunächst nicht machen. Da liefen noch Ermittlungen, sagte er. Der Haftbefehl erging wegen dringenden Tatverdachts des Mordes aus niedrigen Beweggründen. Der Verdächtige befindet sich nun in Untersuchungshaft in einer Haftanstalt.

Nach den bisherigen Ermittlungen hatte der 49-Jährige am Samstagabend den Verkaufsraum der Tankstelleohne Maske betreten und zwei Sechserpack Bier auf den Tresen an der Kasse gestellt. Er habe die Maske vergessen, sagte er später. Der Kassierer wies den Mann auf die Maskenpflicht hin - woraufhin der Mann den Ermittlungen nach den Raum verließ und dabei drohend die Hand hob.

Der 49-Jährige habe sich über die Zurückweisung geärgert, hieß es am Montag. Daraufhin habe er zuhause einen Revolver eingesteckt und sei erneut zur Tankstelle gefahren, um den 20-jährigen Verkäufer zu provozieren, berichtete Fuhrmann aus der Einlassung des Tatverdächtigen.

Diesmal habe er eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen, wieder ein Sechserpack Bier genommen und sei zur Kasse gegangen. »Dort setzte er die Mund-Nasen-Bedeckung ab«, sagte Fuhrmann. Der Kassierer habe den Mann erneut auf die Einhaltung der Maskenpflicht hingewiesen: Daraufhin zog der Täter die Waffe und erschoss den 20-Jährigen. Der Verdächtige habe dem Opfer »gezielt von vorne in den Kopf« geschossen, sagte Fuhrmann.

Der Tatverdächtige war am Sonntagmorgen auf dem Gelände der Polizei in Idar-Oberstein festgenommen worden. »Wir gehen davon aus, dass er sich stellen wollte«, sagte Triers Polizeipräsident Friedel Durben. »Das ist auf jeden Fall ein besonderer Fall: Wir haben weder im Polizeipräsidium Trier noch im Land Rheinland-Pfalz eine solche Tat gehabt, die einen Zusammenhang zu Corona vermuten lässt.«

Das Entsetzen in Idar-Oberstein ist groß. »Das ist eine ganz unfassbare, schreckliche Tat, die hier in Idar-Oberstein passiert ist«, sagte Oberbürgermeister Frank Frühauf (CDU). Das merke man auch an der großen Betroffenheit der Bürger vor Ort. Viele hätten an der Tankstelle Blumen und Kränze niedergelegt. »So eine Tat kann man mit nichts vergleichen. Es wird eine Zeit dauern, bis man das verarbeitet hat«, sagte er.

Auch aus der Politik gab es bestürzte Reaktionen. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast schrieb am Montagabend bei Twitter: »Ich bin entsetzt von dem grausamen Mord in #Rheinland-Pfalz. Meine Gedanken sind bei den Angehörigen. #Maskenpflicht als Mordmotiv lässt mich sprachlos zurück«, schrieb die Politikerin. »#Hass im Netz ist real und aus Worten können furchtbare Taten werden. Das zu bekämpfen ist unsere Pflicht.« »Maskenpflicht« war am Abend in den Twitter-Trends weit oben, viele Nutzer und Nutzerinnen schrieben über das Thema.

Die Bundesvorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, sagte einer Mitteilung zufolge: »Die Aufklärung schulden wir zuallererst dem Opfer und seiner Familie. Aber sie ist für uns alle von elementarer Bedeutung.« Es müsse unter anderem ermittelt werden, woher und warum der Mann eine Waffe hatte, ob er allein gehandelt hat oder »in irgendwelchen Chats unterwegs war, die Umsturzfantasien verbreiten«. dpa/nd

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