Erste Anzeichen für Selbstkritik

Am Tag nach der Bundestagswahl ist die demonstrative Feierlaune in den Unionsparteien vergangen

Der »Kandidat der Herzen«, Markus Söder, ist der erste Führungsmann von CDU und CSU, der auf offener Bühne eingesteht, dass die Unionsparteien bei der Bundestagswahl verloren haben. »Insgesamt« habe man eine »Niederlage« erlitten, erklärte der bayerische Ministerpräsident am Montag. Die zur Schau getragene Feierlaune vom Wahlabend ist vorbei. Söder sprach nicht offensiv von einem Jamaika-Bündnis.

Aber Söder wäre nicht er selbst, wenn er nicht versuchen würde, aus der Niederlage der Union noch Kapital zu schlagen. Und so machte er den CSU-Parteitag zum Wendepunkt im Wahlkampf. Dieser habe »sehr geholfen«, den Fall zu stoppen. Dort erst sei das zentrale Wahlkampfthema, der Kampf gegen den Linksrutsch, gefunden worden. Außerdem, und das scheint Söder sehr zu freuen, hat die CSU weniger stark verloren als die CDU. Die Bayern bekommen dadurch ein größeres Gewicht in der künftigen Bundestagsfraktion. Söder geht also gestärkt aus der Wahlniederlage hervor.

Der Wahlverlierer Armin Laschet sprach am Montagnachmittag nach den Sitzungen von Vorstand und Präsidium erstmals über die Niederlage der Partei. Das Ergebnis »kann, darf und wird« die CDU nicht »zufriedenstellen«, sagte er. Ein Ergebnis unter 30 Prozent könne nicht Anspruch der Christdemokraten als Volkspartei sein. Laschet kündigte an, dass die Partei das Ergebnis in einem »strukturierten Prozess« aufarbeiten werde. Dies solle erfolgen, egal ob die CDU in der Opposition oder Regierung ist.

Nach der Wahl gebe es für niemanden einen »Regierungsauftrag«, so Laschet. Die CDU habe aber eine »Verantwortung« für ihre Wähler. Aus dieser Verantwortung leitet Laschet den Anspruch ab, Gespräche über ein mögliches Jamaika-Bündnis mit Grünen und FDP zu führen. Für ein solches Bündnis will Laschet keine Details verhandeln, sondern schauen, ob es grundsätzlich Vertrauen gibt.

Die CDU hat im Norden und Osten stark verloren, die CSU verlor in Bayern weniger stark

Laschets selbstbewusstes Auftreten steht im Gegensatz zum Stimmungsumschwung, der sich bei CDU und CSU am Morgen nach der Wahlniederlage breitgemacht hat. Hatten die Parteien am Wahlabend noch relativ geschlossen die Erzählungen vom Sieg der bürgerlichen Parteien und dem Auftrag für die CDU verbreitet, eine »Zukunftskoalition« zu bilden, war davon am Montagmorgen nicht mehr viel zu hören. Den Anfang machte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer, der gegenüber dem MDR sagte, dass er keinen Regierungsauftrag für die CDU auf Bundesebene sieht. Im Gegenteil, er sprach sogar von einer ganz klaren »Wechselstimmung gegen die CDU«. Am Sonntagabend hatte sich auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff enttäuscht über das Wahlergebnis gezeigt. In der ARD-Talkshow Anne Will nannte er es ein »Desaster«.

Richtig geballt kam die Kritik für Armin Laschet und die CDU-Führung am Montag aus den Parteivorständen von CDU und CSU. Wieder einmal wurden zahlreiche Wortbeiträge an Journalisten, vorzugsweise von »Bild« und »Welt«, durchgestochen. Alexander Dobrindt soll im CSU-Präsidium gesagt haben, dass der CDU-Wahlkampf drei Schwächen hatte: »Kurs, Kampagne und Kandidat.« In der Sitzung des CDU-Präsidiums hatte Armin Laschet mit dem bisherigen Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkaus zu kämpfen. Der wehrte sich gegen einen Vorschlag Laschets, am Dienstag nur kommissarisch wiedergewählt zu werden. Brinkhaus will regulär zum Fraktionsvorsitzenden gewählt werden. Dabei könnte das Amt für Laschet selbst noch wichtig werden. Sollte er es nicht schaffen, ein Regierungsbündnis zu schmieden, sollte er die Fraktion führen. Schließlich hatte der NRW-Ministerpräsident angekündigt, auch als Oppositionsführer in den Bundestag einziehen zu wollen.

Apropos Nordrhein-Westfalen. Dort wächst der Druck, die Nachfolge von Armin Laschet zu klären. Im WDR erklärte NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst, dass mit dem Ende der Bundestagswahl der Wahlkampf für den Landtag begonnen habe. In NRW wird im Mai 2022 gewählt. Hendrik Wüst gilt als einer der Favoriten für die Nachfolge von Armin Laschet. Er hat auch ein Landtagsmandat, das er braucht, um in NRW zum Ministerpräsidenten gewählt werden zu können. In der Landes-CDU stehen zum Wochenanfang entscheidende Gremiensitzungen an.

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