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»Ich sorge dafür, dass die Menschen zufrieden sind«

Seit über 40 Jahren arbeitet Leocadia Montes in der Bar »Leo« - erst als Angestellte, heute gehört ihr die Kneipe. Sie ist eine Institution in der Altstadt von Barcelona

  • Isabella Caldart
  • Lesedauer: 6 Min.

Morgens um 8 Uhr in der Bar »Leo« ist die Besitzerin Leocadia Montes trotz ihres Alters schon lange auf den Beinen, um die Kneipe zu putzen, bevor die ersten Gäste kommen. Die Bar »Leo« liegt nur einen Steinwurf entfernt vom Strand Barcelonetas. In dem kleinen Altstadtviertel auf der Halbinsel im Südosten von Barcelona lebten einst vor allem Fischer und Fabrikarbeiter mit ihren Familien. Mit den Olympischen Spielen 1992 begann Barcelona sich radikal zu verändern. Die Stadt, von der es bis dahin hieß, sie existiere »mit dem Rücken zum Meer«, wurde modernisiert. Im Viertel Barceloneta ließ man die vielen Chiringuitos am Meer abreißen - kleine Lokale, Kioske und Essensstände, die seit Anfang des 19. Jahrhunderts zumeist behelfsmäßig errichtet wurden, die einen legal, die anderen illegal - und legte eine Strandpromenade an.

Die Wände in Ihrer Kneipe sind voll mit Fotos und Andenken an Bambino. Für das deutsche Publikum: Wer war Bambino (1940-1999)? Warum ist er für Sie so wichtig?

Interview

Leocadia Montes, geboren 1944 in La Rábita, Granada, kam als junges Mädchen nach Barcelona. Seit rund 40 Jahren arbeitet sie in der Bar »Leo« in Barcelona, einer Bar, in der die Zeit stehen geblieben scheint. Nie hat Montes auch nur einen einzigen Tag gefehlt. Barceloneta, das ehemalige Fischerviertel, ist ihr Zuhause, und jede*r hier kennt sie. Im Interview erzählt sie, was sie als junge Frau nach Barcelona verschlagen hat und was ihr die Menschen im Viertel bedeuten.

Montes: Bambino war ein großer Flamenco-Künstler. Er war sehr wichtig, viele Leute kannten ihn. Er war ein guter Mensch, der mit aller Welt sprach und Leuten, die Hunger hatten, unterstützte und ihnen Essen gab. Er kam frühmorgens immer hierher nach Barceloneta, besuchte die Bars und blieb bis nachmittags, weil er abends auftreten musste. Er hat sich wohlgefühlt, weil hier so viele Menschen aus Andalusien gelebt haben.

Sie kamen im Alter von 13 Jahren ebenfalls aus Andalusien nach Barcelona. Wieso diese Stadt?

Nun, weil ich arbeiten musste, und in meinem Dorf gab es nur Land und Strand. Ich wollte Geld verdienen, und ich hatte mütterlicherseits einige Onkel hier, die mich unterstützten, bis ich geheiratet habe und meine Kinder hatte. Die ganze Zeit bin ich in Barceloneta geblieben.

Was sich seit Jahrzehnten kein bisschen verändert hat, ist die Bar »Leo«. Die kleine Bar mit Tapas-Theke zieren nicht nur Fotos von Bambino, sie hat auch eine Jukebox und - typisch spanisch - in einer Ecke einen Fernseher, der immer läuft. Wer diese Bar nicht kennt, kennt Barcelona nicht, so heißt es. Besitzerin Leocadia Montes ist die Seele von Barceloneta. Fast alle Menschen, die an der Bar vorbeikommen, grüßt sie mit Namen. Einige aus dem Viertel nennen sie sogar »Mama«. Sie hat nahezu ihr ganzes Leben in Barceloneta verbracht, kennt die Einwohner*innen und alle Plätze und Straßen ganz genau. Der Rest der Stadt ist ihr eher fremd. »Wenn jemand wissen will, wo die bekannte Flaniermeile Ramblas ist, sage ich, dass ich keine Ahnung habe«, behauptet sie mit einem Lachen.

Wie lange gibt es die Bar »Leo« schon?

Inzwischen seit 40 Jahren. Ich habe hier erst gearbeitet - und später habe ich sie übernommen.

Wie kann man sich die Stadt und das Viertel zu jener Zeit vorstellen?

Barceloneta war sehr wichtig für die Familien hier. Man feierte San Juan (am 24. Juni, ein wichtiger Feiertag in ganz Spanien, Anm. d. Red.) oder Stadtteilfeste zusammen. Jetzt gibt es nur noch wenige Menschen, die das machen. Das war eine Tradition der Fischer und der Arbeiter. Man teilte, was man hatte, und ließ es sich gut gehen. Das waren Familien, alles war wie eine große Familie.

Und inwiefern hat sich Barceloneta seitdem verändert?

Barceloneta ist immer noch schön, aber klar, es hat sich verändert, vor allem seit der Pandemie. Die Leute sind ausgebrannt, und ehrlich gesagt ist es nicht so wie früher. Uns geht es gut, aber gleichzeitig geht es uns nicht gut. Man hat viele Ausgaben - und es gibt nicht genug Arbeit, um sie aufzufangen.

Auch Ada Colau, seit 2015 Bürgermeisterin von Barcelona, war Stammgast in der Bar »Leo«, damals, vor gut 20 Jahren, als sie in einem besetzten Haus im Viertel wohnte. Barceloneta hat sich seitdem sehr verändert; früher kannten sich alle Nachbar*innen, die Kinder spielten auf den Straßen, die Leute ließen ihre Eingangstüren offen. Es war ein Dorf. Inzwischen gibt es hier mehr Tourist*innen, auch wenn sich das pandemiebedingt in den vergangenen zwei Jahren verändert hat. Auch die Kriminalität ist höher. Außerdem werden in der gesamten Stadt immer mehr »Bares de toda la vida«, wie es auf Spanisch heißt, verdrängt, unprätentiöse Kneipen, die es schon immer gab. Umso wichtiger ist die Bar »Leo« für Barceloneta - und mit ihr die Besitzerin Leocadia Montes.

Was bedeuten Ihre Gäste für Sie?

Sie kennen mich, und sie wissen, dass stimmt, was die ganze Welt sagt, weil sie es sehen: Wenn jemand kommt und mich um etwas bittet, mache ich ihm etwas zu essen, gebe ihm einen Kaffee. Im Lockdown habe ich gesagt: Wer kein Essen hat, soll zur Bar von Leo kommen, um nicht zu leiden, und essen, was ich in der Lage bin, ihm zu geben.

Ich habe gelesen, dass Sie in den 40 Jahren, die Sie hier sind, nie auch nur einen Tag auf der Arbeit gefehlt haben - kein Urlaub, keine Krankheit. Was ist Ihr Geheimnis?

Das stimmt, seit ich angefangen habe zu arbeiten, nicht nur hier, sondern auch früher schon, habe ich nicht einen einzigen Arbeitstag verpasst. Mein Leben spielt sich in diesen vier Wänden ab, das hier ist mein Leben. (zeigt um sich) Meine Wohnung ist in dieser Straße. Ich bin zusammen mit den Leuten, die mich lieben, ich habe vier schöne Kinder, Menschen, die mich verehren, die nicht einfach nur Gäste sind, sondern die ich behandele, als wären sie Familie, weil sie es für mich sind. Und ich habe drei göttliche Enkel, und ich möchte niemals fern von ihnen sein. Alles, was ich tue, tue ich für sie.

Gegenüber der Bar ziert seit Kurzem ein großes Bild einen Rollladen, gemalt nach einem Foto von Montes, auf dem sie 14, 15 Jahre alt ist. Ihre vier Kinder haben ihr das zum 77. Geburtstag geschenkt, den sie Anfang September feierte. »Es una campeona«, sagt einer der Söhne, sie ist ein Champion. Dass Leocadia Montes immer mal wieder Aufmerksamkeit von der Presse bekommt, macht ihn froh. »Sie verdient das«, sagt er. Und erzählt, dass seine Mutter, nachdem sein Vater, »ein Fascho«, wie er ihn abwinkend beschreibt, vor knapp 17 Jahren gestorben ist, richtiggehend aufgeblüht ist. Eine große Kämpferin von kleiner Statur.

Wie kann ich mir Ihren Alltag vorstellen?

Ich bin jeden Tag von 8 bis 20 Uhr in der Bar. Ich bin glücklich, lache mit den Menschen, die kommen, sorge dafür, dass sie zufrieden sind - und dass sie mich lieben und ich sie liebe.

Weil da ein Foto mit Autogramm von ihm an der Wand hängt: Kennen Sie Manu Chao gut?

Ja, Manu Chao ist öfter gekommen. Er liebt Barceloneta, schon als Kind ist er mit seinen Eltern im Urlaub hier gewesen. Er kannte viele Menschen hier und hatte oft seine Gitarre dabei, spielte hier oder am Strand. Jetzt mit allem, was passiert ist, habe ich ihn seit zwei Jahren nicht gesehen.

Viel Zeit zum Sprechen hat Leocadia Montes nicht. Die Theke ist zwar schon gewischt, aber es müssen noch der Boden geschrubbt, die Fensterbretter außen gereinigt und allerhand andere Sachen gemacht werden, ehe um 9 Uhr die ersten Gäste kommen. »Hola, Montse«, sagt Leocadia zu der Nachbarin, die an der Bar vorbeiläuft. Montse bleibt stehen und unterhält sich kurz mit ihr. Man kennt sich hier, man hat sich schon immer gekannt.

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