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3G-Rennsteig: »Gelaufen, gekämpft und gewonnen!«
Der 48. GutsMuths-Lauf startete mit 16 Monaten Verspätung. Er war ein Signal für die Zeit nach Corona
»Ich bin echt froh, dass es hier sportlich wieder voll abgeht.« So reagierte Anna Hahner nebst erlösendem Jubelschrei nach ihrem Marathonsieg. Obwohl ohnehin Favoritin, war sie erkennbar glücklich. Recht kurzfristig habe sie sich für den Start entschieden. Was zu ihrer Lebensdevise passt: Wenn Du willst, dann gleich. Die stammt von Joey Kelly (51), dem bekannten Musiker und Extremsportler. »Durch ihn kam ich überhaupt erst zum Laufen«, erzählte Hahner. Vorher hatte sie in ihrem Geburtsdorf Rimmels Tischtennis gespielt. Beim Start in Thüringen bekäme sie irgendwie immer Heimatgefühle: »Die Leute und die Natur hier erinnern mich ganz doll an die hessische Rhön, eben an mein zu Hause.«
Auf solche Beziehungserzählungen trifft man in der Szene der großen Laufveranstaltungen immer wieder. Natürlich gibt es auch hier abgehobene Stars, aber selbst von denen gehören viele bald zur Familie. Dergestalt ist Abraham Filimon, der diesmal den Männer-Marathon gewann, beim Rennsteiglauf auf einem guten Weg. »Ich kam 2014 als Flüchtling aus Eritrea nach Deutschland«, berichtet er. Er lernte die Sprache, das Tischlerhandwerk, arbeitet in einer Baufirma, trainiert seit Jahren rund 120 Kilometer pro Woche. »2022 vielleicht schon für Deutschland bei der EM starten zu können ist mein großes Ziel.« Ähnliche Erfolge im Leben wünsche er natürlich besonders der hiesigen Flüchtlings-Community.
Insgesamt hatten sich mehr als 9000 Läuferinnen und Läufer für den Rennsteiglauf gemeldet, letztlich lag die Zahl der Aktiven am Wochenende unter 8000. In jedem Fall entspricht das nur etwa der Hälfte der Vor-Coronazeit. »Es ist aber zu spüren, dass wir auf gutem Weg zu einstigen Teilnahmezahlen sind«, sagt - und hofft - Jürgen Lange, Präsident des GuthsMuts-Rennsteiglaufvereins. Dass sich kurz nach dem Berlin-Marathon nun auch der Rennsteiglauf wieder zurückgemeldet hat, hält er für ein »vitales Signal an die gesamte Laufszene«. Denn immerhin sei die Berliner Veranstaltung die größte im Lande und speziell die Marathondistanz des Rennsteiglaufs seit Jahren in Umfragen die Nummer 1 unter allen Lauffans.
Fragt sich, ob und wie die anderen bald aufschließen: Frankfurt am Main und Köln, auch Schwergewichte in der Szene, bleiben weiter abgesagt. Den Verweis allein auf die umfangreichen wie kostspieligen Hygienemaßnahmen hält Lange für zu kurz gegriffen. Da die großen Veranstaltungen allermeist privatfinanziert sind, sei die »bloße Aussicht auf eine schwarze Null geschäftlich kaum ein Ansporn«. Der Rennsteiglauf dagegen ist die Initiative eines Vereins mit mehr als 1000 Mitgliedern und 1300 »Ehrenamtlichen«. »Da ist die Emotionalität und die Motivation eben eine ganz andere«, sagt Lange. Wobei langfristig natürlich auch stets die Kosten stimmen müssen.
Nach der Zwangspause präsentierte sich das Laufgeschehen auf dem Thüringer Kammweg mit engmaschiger Corona-Hygiene. Überall fehlte es deshalb an den üblichen Zuschauermassen, den vielen Musik- und Gesangsgruppen an der Strecke, an Ständen am Zielort Schmiedefeld und sonstigem liebgewonnenem Klamauk aller Art.
Erstaunlich, wie trotz der Auflagen doch alles gut funktionierte, da wie üblich weiter auf acht Hochzeiten getanzt wird (vom Supermarathon über 73,9 Kilometer bis zu den Mini-Marathons für Kinder). Am spürbarsten bei den Neuerungen sind die fast punktgenau für jeden Aktiven organisierten Startzeiten sowie die rigoros gedämpfte Drängelei um beste Plätze an der Linie. So startete der Autor nicht wie einst um 7 Uhr, sondern 8:34:30 Uhr aus Block 5 in Reihe 3. Dass er letztlich ein bisschen schneller war als 2019, lag daran bestimmt nicht, aber er fühlte sich gut aufgehoben. Zwei Frauen, eine jung, die andere noch jünger, Mutter und Tochter, wie sie uns lachend wissen ließen, hatten unterwegs den gleichen Eindruck. Sie feierten den Nach-Coronastart mit flottem Optimismus. Auf ihren Trikot-Rücken war zu lesen: »3G-Rennsteiglauf: Gelaufen - Gekämpft - Gewonnen«.
So wurde das auch von den Mitgliedern des nd-Rennsteiglaufteams empfunden. Seit 2004 formiert es sich alljährlich neu (ausführlicher Bericht in ndCommune vom 30. Oktober 2021) Bereits zum vierten Mal war Gustav-Adolf »Täve« Schur Ehrenkapitän der Truppe. Ihn kennt beim Rennsteiglauf gefühlt jeder Dritte. Auch die Organisatoren holten ihn als Ehrengast zur Siegerehrung. Täve versprach von der Bühne »mit der Glaubwürdigkeit eines 90. Jährigen« wiederzukommen, spätestens zum 50. Rennsteiglauf, der 2023 dran wäre. Riesenbeifall und »Täve, Täve«-Rufe. Das kann Hans-Georg Kremer vielleicht gleich in seine Programmüberlegungen zum 50. Jubiläum einbeziehen. Er hat seit 1973 keinen Lauf verpasst. Aber schließlich gehört er ja auch zu den acht Gründungsvätern des so beliebten Massencrosslaufs.
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