Moskaus Kommunisten unter Druck

Nach Protesten gegen das Ergebnis der Dumawahl gehen die Behörden gegen die russische KP vor

  • Ute Weinmann, Moskau
  • Lesedauer: 4 Min.

Festnahmen und regelrechte Belagerungen von Privatwohnungen und Büros durch Sicherheitsbeamte: Seit der russischen Parlamentswahl vom 19. September richtet sich die staatliche Repression gezielt gegen Moskauer Linke. Weit mehr als hundert Menschen landeten in Polizeigewahrsam und fast täglich kommen neue Fälle hinzu. In erster Linie trifft es Kader der Kommunistischen Partei (KPRF), aber nicht ausschließlich. Unter anderen politischen Voraussetzungen hätte die Kommunistische Partei über die Hälfte der Direktmandate in der russischen Hauptstadt gewonnen und wäre mit weitaus mehr Personal in die Duma eingezogen als mit den amtlich zugestandenen 57.

Die Parteiführung zog die Wahlergebnisse in Zweifel und kündigte Widerstand an. Am Abend nach den Wahlen fanden sich bei Regenwetter mehrere hundert Teilnehmende auf dem Moskauer Puschkin-Platz ein. Formal war die Veranstaltung als Treffen mit dem Duma-Abgeordneten Walerij Raschkin deklariert, was nach geltenden gesetzlichen Vorschriften keiner behördlichen Genehmigung bedarf. Raschkin selbst unterlag in seinem Wahlkreis dem Kandidaten der Regierungspartei Einiges Russland, behält sein Mandat jedoch durch seinen Listenplatz.

Teller und Rand - der Podcast zu internationaler Politik

Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.

Es herrschte eine aufgeheizte Stimmung. Vor allem der für die KPRF kandidierende parteilose Gewerkschaftsaktivist Michail Lobanow, der von allen in Moskauer Wahlkreisen angetretenen Oppositionellen das beste Stimmenergebnis vorweisen konnte, erhielt Zuspruch. Von den Liberalen war lediglich Marina Litwinowitsch erschienen, die für die Jabloko-Partei kandidiert hatte. Die Wut der Versammelten richtete sich gegen offensichtliche Manipulationen bei der elektronischen Abstimmung. Solche Bilder dürften bei der russischen Führung Erinnerungen an die großen Proteste nach den Dumawahlen vom Dezember 2011 hervorgerufen haben.

Aber das Aufbegehren der KPRF hielt nicht lange an. Lobanow mobilisierte seine Wähler zunächst in seinem Bezirk. Am 25. September fand zudem eine weitere Kundgebung im Moskauer Stadtzentrum statt, an der sich etwa tausend Menschen beteiligten. Parteichef Gennadij Sjuganow sollte dort auftreten, ließ sich jedoch entschuldigen, weil parallel dazu ein erstes Online-Treffen mit Präsident Wladimir Putin stattfand. Lobanow wurde das Mikrofon verweigert, stattdessen ertönte eine altbackene Rhetorik, der nichts mehr von dem frischen Wind anzumerken war, der noch wenige Tage zuvor vom Wahlergebnis enttäuschte Linke auf die Straße getrieben hatte.

Eigentlich sollte am vergangenen Sonnabend die nächste Kundgebung folgen, aber wenige Tage zuvor verzichtete die Moskauer KPRF-Führung auf ihre Pläne. Angesichts nachlassender Protestbereitschaft entscheide man sich zugunsten einer Auszeit. Diese solle genutzt werden, um perspektivisch eine größere Veranstaltung zu planen.

Zu diesem Zeitpunkt war Sergej Udalzow von der außerparlamentarischen Sammlungsbewegung Linksfront bereits zu zehn Tagen Haft verurteilt. Das gleiche Schicksal ereilte auch den unabhängigen linken Bezirksabgeordneten Sergej Zukasow und den bekannten Politologen Boris Kagarlitskij. Der Vorwurf: Sie und weitere Aktivisten und Abgeordnete sollen in sozialen Netzwerken die angeblich illegalen öffentlichen Versammlungen der KPRF am 20. und 25. September organisiert haben. Wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht wurde zudem der KPRF-Fraktionsvorsitzende im Moskauer Stadtparlament, Nikolaj Subrilin, zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Gerichtsprozess gegen seine Fraktionskollegin Jekaterina Jengalytschewa wurde auf den Montag vertagt. Die Abgeordnete, die an keinem der beiden Treffen teilnahm, hatte aus Angst vor einer Verhaftung im Moskauer Stadtparlament ausgeharrt, vor dem die Polizei mit einer Vorladung auf sie wartete.

Beinahe hätte die KPRF die kurze Klagefrist für die Anfechtung der Wahlergebnisse verpasst. In den Tagen vor dem Stichtag am 29. September hatte die Polizei das Gebäude der Moskauer Parteizentrale belagert und beim Verlassen des Gebäudes unter anderem einen für die Klageschrift verantwortlichen Juristen festgenommen. Uniformierte blockierten zudem das Bürgerbüro des stellvertretenden KPRF-Vorsitzenden und Duma-Vize-Sprecher Iwan Melnikow. Dort lagerten die Unterlagen für die geplante Anfechtung der Wahlergebnisse.

Offenbar fehlt bei KPRF-Chef Sjuganow der politische Wille, um sich mit dem Machtapparat anzulegen. Insofern hat das - trotz mutmaßlicher Fälschungen - ansehnliche Wahlergebnis der Kommunisten Partei haufenweise Ärger beschert. Das Image einer handzahmen Opposition bleibt an ihr weiter kleben, während unabhängige Linke mit völlig leeren Händen dastehen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.