- Berlin
- Dreier-Sondierungsgespräche in Berlin
Franziska Giffeys zweite Wahl sondiert
SPD, Grüne und Linke kamen am Dienstag zusammen, SPD-Spitzenkandidatin präferiert weiter Ampel
Die Hausherrin und der Hausherr sind überpünktlich da. Gemeinsam sprechen SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey und ihr Co-Landesvorsitzender Raed Saleh am Dienstagmorgen deutlich vor der angesetzten Zeit vor der Parteizentrale Kurt-Schumacher-Haus im Wedding mit Journalistinnen und Journalisten. Als Nächstes kommt aus Richtung der S-Bahn-Station die Delegation der Linken, die vom Spitzenkandidaten Klaus Lederer und dem Vize-Landesvorsitzenden Tobias Schulze sowie den Fraktionsvorsitzenden Anne Helm und Carsten Schatz angeführt wird. Kurz vor 10 Uhr trudeln dann auch die Grünen mit ihrer Spitzenkandidatin Bettina Jarasch und den beiden Landesvorsitzenden Nina Stahr und Werner Graf ein. Grüße mit Fäusten werden ausgetauscht. »Alles gut bei euch?«, fragt der SPD-Landesvorsitzende Raed Saleh. Anschließend gibt es das obligatorische Gruppenfoto – nicht alle lachen in die Kameras. Die Linke hat Kuchen dabei, die mit Spannung erwarteten Sondierungen können pünktlich gegen 10 Uhr beginnen.
Wie lange sie am Dienstag andauern werden, war zunächst unklar. Die Gespräche mit der FDP für eine von der SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey präferierte Ampel-Koalition dauerten am Vortag rund sieben Stunden. Große Informationen oder gar Details über die Verhandlungen zwischen SPD, Grünen und der FPD wurden danach indes nicht bekannt. Wie immer in den vergangenen zwei Wochen hielt die Vertraulichkeit unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Gespräche – anders als bei den Bundes-Sondierungen, wo danach Informationen und Gesprächsinhalte aus CDU-Kreisen durchgestochen worden sein sollen. In Berlin scheint Vertraulichkeit dagegen noch etwas zu bedeuten. Das kann aber auch schlicht und einfach damit zusammenhängen, dass man im Bund gesehen hat, wie schnell Indiskretionen dazu führen können, dass Sondierungsgespräche abgebrochen werden. Da war die CDU ganz schnell raus. Wie die aktuelle Pattsituation auf der Berliner Ebene – die Wahlsiegerin SPD, die bei der Abgeordnetenhauswahl 21,4 Prozent erzielte, präferiert eine Ampel, während die zweitplatzierten Grünen mit 18,9 Prozent der Stimmen unbedingt Rot-Rot-Grün fortführen wollen – aufgelöst werden soll, ist bislang unklar. Auch wann genau die potenziellen Partner SPD und Grüne entscheiden, mit wem sie eine künftige Regierung ausverhandeln wollen, steht offenbar noch nicht fest.
»Ich habe gehört, die SPD kommt in dieser Woche noch nicht zu Potte«, sagt eine wichtige Linke-Politikerin am Dienstag, die angesichts der andauernden langwierigen Sondierungen ein bisschen genervt ist. Bei den Sozialisten ist man nämlich davon ausgegangen, dass zeitnah geklärt wird, ob Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden. Für den kommenden Sonntag lädt die Partei zu einem »außerordentlichen Parteitag« in das Gebäude des »nd« ein. Einziges Thema: »Parteitag der Berliner Linken zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen«. In der Einladung der Partei wird allerdings vermerkt, dass die Versammlung nur stattfinde, »wenn bis zum Wochenende Klarheit über den weiteren Verlauf der Regierungsbildung besteht«. Die Partei wolle den Termin entsprechend schnellstmöglich bestätigen oder absagen, heißt es zudem.
Doch, wie am Dienstagmorgen auch vor dem Kurt-Schumacher-Haus zu hören ist, könnte es bei der SPD noch etwas dauern. Schließlich finden die Präferenzen der Parteiführung der Sozialdemokraten für eine Ampel nicht nur bei den Grünen wenig Anklang, auch in der SPD gibt es massive Widerstände gegen ein Bündnis mit der FDP. Robert Drewnicki, ein in der Senatskanzlei beschäftigter Vertrauter des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller, ätzte auf dem Kurznachrichtenkanal Twitter: »Ach Gottchen, jetzt kommen die SPD-Unterstützer einer Berliner Ampel mit Marx und Ideologie.« Diese würden bei Klimawandel und Wohnungsneubau nicht helfen. »Neo-Liberalismus ist aber nun auch eher problemverstärkend«, so Drewnicki weiter. Auch die Jusos und einige Kreisverbände der SPD haben sich in der Koalitionsfrage ordentlich gegen die eigene Führung positioniert. Eine Ampel-Koalition dürfte also nur mit einem Machtwort der Führungsspitze durchzusetzen sein. Aber hält eine vergleichsweise geringe Mehrheit von sechs Stimmen, die die Ampel hätte, dann auch bei der Wahl zur neuen Regierenden Bürgermeisterin?
Bei der Linken ist die Hoffnung, trotz der Degradierung zur zweiten Wahl Giffeys, am Dienstagmorgen noch nicht erloschen. »Unser Angebot liegt auf dem Tisch«, sagt Linke-Spitzenkandidat Klaus Lederer auf nd-Nachfrage. »Wir werden sehen, wo wir gemeinsam hinkommen werden.« Man sei vorsorglich auf alles vorbereitet. Soll wohl heißen: Wir nehmen ganz entspannt zur Kenntnis, was passiert. Ganz so locker war die Stimmung in der Linken im Vorfeld der Verhandlungen nach nd-Informationen allerdings nicht. Über die Zusammensetzung der Sondierungsgruppe beispielsweise gab es auch hier Debatten. Einige in der Partei finden, dass die Gruppe viel zu einseitig mit einer bestimmten Strömung besetzt wurde.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.