»Dieser Große Zapfenstreich ist völlig deplatziert«

Grüne und Linke kritisieren erneut Afghanistan-Einsatz und fordern weiter einen Untersuchungsausschuss

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Grüne und Linkspartei haben einen Tag vor dem geplanten Großen Zapfenstreich in Berlin den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr und die Umstände des Abzugs kritisiert. »Es gab eine große Kette von Fehlern im Afghanistan-Einsatz. Und wir werden aufarbeiten müssen, was seit Beginn der Evakuierung alles schiefgelaufen ist«, sagte der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour am Dienstag dem ZDF-Magazin »Frontal«. Der Einsatz sei »komplett gescheitert«, erklärte der Linken-Verteidigungsexperte Tobias Pflüger.

Die Bundesregierung will am Mittwoch mit mehreren Veranstaltungen die Leistungen und die Opfer der an dem Einsatz beteiligten Soldatinnen und Soldaten würdigen. Nouripour bekräftigte vorab die Forderung seiner Partei sowie von FDP und Linken nach einem Untersuchungsausschuss, um die Fehleranalyse voranzutreiben.

Auch bei den laufenden Gesprächen über eine Ampel-Koalition müsse darüber geredet werden, »wie wir aufarbeiten, was alles schiefgegangen ist«, sagte der Grünen-Politiker. Da gebe es »sehr viel«. Nouripour forderte auch, alle Bundeswehreinsätze auf den Prüfstand zu stellen: »Wir müssen uns alle Einsätze genau angucken und überlegen, was dort richtig läuft, was falsch läuft und ob Dinge tatsächlich noch zu retten sind.« Dann müsse gemeinsam überlegt werden, »welche Einsätze wie fortgesetzt werden«.

»Dieser Große Zapfenstreich ist völlig deplatziert. Der Afghanistan-Einsatz ist komplett gescheitert«, erklärte Pflüger. »Der Einsatz hat Afghanistan keinen Frieden gebracht« und es sei auch nicht gelungen, das Land nachhaltig zu verändern. All dies sei »eine einzige große Illusion« gewesen. Zudem seien beim Abzug die afghanischen Helferinnen und Helfer der Bundeswehr »weitestgehend schmählich im Stich gelassen« worden, kritisierte der Linken-Politiker. Auch Pflüger bekräftigte die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss.

»Nicht die Soldatinnen und Soldatinnen haben das Afghanistan-Engagement scheitern lassen, sondern die Bundesregierung, die nicht in der Lage und Willens war, ihre gesteckten Ziele zu evaluieren und anzupassen«, sagte die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. »Die Aufgabe der Bundeswehr ist vergleichbar mit einem Anästhesisten während einer Operation. Er kann den Patienten lediglich eine Weile ruhig stellen«, sagte Strack-Zimmermann. »In dieser Zeit muss der Chirurg, also die Politik ans Werk gehen. Macht sie das nicht, hilft auch die beste Anästhesie nicht. Der Patient wacht auf und ist immer noch nicht gerettet.«

Verhinderte Antifaschistin
Annegret Kramp-Karrenbauer hinterlässt viel Arbeit beim Thema Rechtsextremismus in der Bundeswehr.

Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, bekräftigte ihre Forderung nach einer weiteren Aufarbeitung des Einsatzes. Eine Enquete-Kommission im Bundestag wäre hierfür ein guter Rahmen, sagte die SPD-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Mittwoch). »Nach Afghanistan kann es kein Weiter-so geben. Wir müssen intensiver über die Einsätze der Bundeswehr im Ausland diskutieren. Die Soldatinnen und Soldaten brauchen klare Vorgaben und realistische Ziele.«

Bomben ohne völkerrechtliche Legitimation
Völkerrechtler Norman Paech blickt zurück auf die Begründung für den Angriff auf Afghanistan vor 20 Jahren

Auftakt des Gedenkens ist am frühen Nachmittag eine Kranzniederlegung am Ehrenmal der Bundeswehr. Auf dem Paradeplatz des Verteidigungsministeriums wird es dann einen zentralen Abschlussappell geben, zu dem Bundespräsident und Kanzlerin erwartet werden. Am Abend soll der Einsatz auf dem Platz der Republik vor dem Reichstagsgebäude mit einem Großen Zapfenstreich gewürdigt werden.

Die Bundeswehr hatte ihren Einsatz - zuletzt als Teil der Nato-Ausbildungsmission »Resolute Support« - am 29. Juni beendet und das Feldlager in Masar-i-Scharif geräumt. Agenturen/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.