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Als das Kiffen noch geholfen hat

Ausgebufft und sehr witzig: Die Freak Brothers in einer deutschen Gesamtausgabe

Wo bitte geht's zur Weltrevolution? Und kann man die auch rauchen? Die Freak Brothers
Wo bitte geht's zur Weltrevolution? Und kann man die auch rauchen? Die Freak Brothers

Es ist fast unvorstellbar, welche Wunderkräfte früher dem Konsum von Cannabis zugeschrieben wurden. Vor einem halben Jahrhundert galten Haschisch und Marihuana als revolutionäre Drogen, von den Hippies gefeiert, vom Establishment gefürchtet und - bis heute - verboten. Cannabis sollte das Bewusstsein nicht vernebeln, sondern schärfen und erweitern, damit die Konsumenten die Weltrevolution ausrufen konnten.

Literaturbeilage zur Frankfurter Buchmesse
Dieser Artikel ist aus unserer Beilage zur Frankfurter Buchmesse, die komplett in der Printausausgabe von Dienstag, dem 19.10.21 erschienenen ist. Wer sie verpasst hat, kann sie als PDF downloaden>>

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Gilbert Shelton: Freak Brothers. Gesamtausgabe Bd. 1.
A. d. amerik. Engl. v. Lutz Müller. Avant-Verlag, 338 S., geb., 39 €.

An vorderster Front rauchten die Freak Brothers, drei Hippies aus einer Wohngemeinschaft in San Francisco, geschaffen vom Comic-Zeichner Gilbert Shelton. Phineas, Freewheelin’ Franklin und Fat Freddy sind Antihelden zur Unterhaltung der Alternativkultur: zu verpeilt, um allzu viel auf die Reihe zu kriegen, die Revolution schon mal gleich gar nicht. Trotzdem sind sie auch heute noch sehr lustig, wenn man den ersten Band ihrer nun auf Deutsch im Avant-Verlag erscheinenden Gesamtausgabe liest. Das Vorwort hat der Zeichner Gerhard Seyfried geschrieben, der Shelton sehr verehrt und aus der linksradikalen Szene Münchens der 70er Jahre stammt.

Damals galt das Freaksein an sich als Ausdruck von Individualität und Staatsferne. Weil man das System ablehnt, muss man sich nicht anstrengen, es sei denn, es geht um Hedonismus. »Abgeschlafft und ausgebufft«, wie es Werner Enke 1968 in dem Münchner Spielfilm »Zur Sache, Schätzchen« gegen die bundesrepublikanischen Spießigkeiten formuliert hatte; eine Haltung, die Herbert Marcuse etwas anspruchsvoller als »Große Weigerung«, der instrumentellen Vernunft zu folgen, bezeichnet hatte. Dieser Habitus hielt sich hierzulande bis kurz nach dem Einzug der Grünen in den Bundestag 1983, war aber auch im Milieu der Blueser in der DDR virulent, nur gab es dort fast kein Cannabis.

Die Abenteuer der »Fabulous Furry Freak Brothers« veröffentlichte Gilbert Shelton in den Alternativzeitschriften, für die auch Robert Crumb, der andere Altmeister des US-Underground-Comics, zeichnete. Man musste diese Medien selbst gründen, da in den USA für Comics Zensurbestimmungen galten (die erst 2011 abgeschafft wurden). Crumb zeichnet konventioneller, doch seine Themen waren »ausgeflippter«, wie man damals sagte. Es geht bei ihm um Paranoia und unterdrückte Obsessionen. Shelton ist gemütlicher, die frühen Freak Brothers wollen meist nur Drogen kaufen und kriegen Ärger. Shelton hat sich in einem Interview einmal als das Gegenteil von Crumb bezeichnet: »He’s a compulsive worker. I’m a compulsive shirker.« (Er ist ein zwanghafter Arbeiter, ich bin ein zwanghafter Drückeberger.)

Das ist die hohe Kunst der Pointenlosigkeit des Kiffens. Im weiteren Verlauf der 70er erschienen die Freak Brothers in der Cannabis-Zeitschrift »High Times«, neben Texten von Hunter S. Thompson und William S. Burroughs, später auch im »Playboy«. Es sind größtenteils Einseiter mit skurrilen Situationen, aber äußerst lapidaren, »abgebufften« Pointen. Phineas träumt zum Beispiel irre Dinge, wacht auf dem Sofa auf und sagt: »Ich hatte einen furchtbaren Albtraum!« Und Freewheelin’ Franklin antwortet im Sessel, ohne von seiner Zeitung aufzublicken: »Was du nicht sagst!« Oder Phineas sagt im letzten Bild: »Ich hatte einen komischen Traum ...«, worauf Freewheelin’ Franklin meint: »Einen ›Traum‹ was?«

Das war der Humor der 70er Jahre. Aber es ist auch der Humor der heutigen Politiker von FDP und Grünen, wenn sie ankündigen, in der neuen Regierung eventuell Cannabis legalisieren zu wollen. Als Showpolitik, um nicht über substanziellere Dinge sprechen zu müssen. Phineas würde sagen: »Wow! Ich hatte einen schrägen Traum!«, und Freewheelin’ Franklin würde antworten: »Weniger schräg, als du vielleicht meinst.«

Shelton, der 1940 in Houston geboren wurde, zeichnete die Freak Brothers bis 1992. Mit der Zeit werden die Geschichten länger und komplexer. Da gründet der antireligiöse Phineas die neue Religion »Fundalegionismus« und wird steinreich. »Geld spricht« lautet eine Formel, die Fat Freddy in einer anderen Geschichte lernt. Nur dann hören alle zu. Und aus den Freaks wurden die Nerds von Silicon Valley.

Vor den Freak Brothers hatte Shelton eine Parodie auf die üblichen Superhelden-Comics erfunden: Wunderwarzenschwein (Wonder Wart-Hog). Nur Erdbeer-Rhabarber-Torte neutralisiert seine Superkräfte. Es gibt Menschen, die glauben, man sollte ein Butterbrot essen, wenn man zu bekifft ist, um wieder klarer zu sehen. Und was ist das Gegenmittel zu den Grünen an der Regierung?

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