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Alarmierende Zustände
Joachim Wagner entlarvt rechte Richter als Gefahr für die Demokratie
Nach den Studien von Wilhelm Heitmeyer und anderen machen rechtspopulistisch eingestellte Personen bis zu 20 Prozent unserer Bevölkerung aus. Dieses Phänomen schlägt sich nicht nur in den Wahlergebnissen der AfD nieder, die für eine mehr oder weniger offene Allianz zwischen dem gewaltbereiten Rechtsradikalismus und dem Extremismus der Mitte steht. Auch im Staatsapparat hinterlässt es seine Spuren. Beispielsweise wurde bis vor wenigen Jahren der Inlandsgeheimdienst von einem ausgemachten Rechtspopulisten und Ausländerfeind geleitet. Bei der Polizei werden rechtsextreme Inhalte in Chatgruppen ausgetauscht, Waffen und Munition für den Tag X gesammelt, und »Social und Racial Profiling« sind ein ernstes Problem. Es wäre verwunderlich, wenn diese gesellschaftliche Situation sich nicht auch in der Justiz spiegeln würde.
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Joachim Wagner: Rechte Richter. AfD-Richter, -Staatsanwälte und -Schöffen: eine Gefahr für den Rechtsstaat? Berliner Wissenschafts-Verlag, 194 S., br., 29 €.
Es ist das Verdienst Joachim Wagners, Jurist und Journalist und als solcher lange Jahre Moderator des Politmagazins »Panorama«, in seinem Buch erstmals die Auswirkungen des Rechtsrucks auf die Justiz zu analysieren und zu systematisieren. Dabei unterscheidet Wagner drei Ebenen. Zum einen untersucht er die strafrechtliche Verfolgung von Rechtsextremisten wegen politisch motivierter Delikte. Dabei kommt er zu dem alarmierenden Ergebnis, dass bei Teilen der Strafjustiz die Tendenz besteht, die jeweiligen Tathandlungen unter Ausnutzung aller Auslegungsspielräume zu entpolitisieren. Die Entscheidungen fallen dann zumeist zugunsten der Rechtsradikalen aus. Das betrifft die Ablehnung des Tatbestandes der »Volksverhetzung« bei Wahlplakaten (»Migration tötet!«, »Wir hängen nicht nur Plakate!«), ebenso wie beispielsweise die fehlende Berücksichtigung der rechten Gesinnung bei der Strafzumessung.
Die Entpolitisierung, das sei noch angemerkt, wird ergänzt durch den der Strafjustiz ebenfalls eigenen Ritus der Enthistorisierung und Entsozialisierung. Für diese Linie in der Rechtsprechung führt Wagner mehrere Gründe an. Der wichtigste jedoch ist, dass Richter und Staatsanwälte aus einem gewissen, durch den jeweiligen politischen und sozialen Standort geprägten »Vorverständnis« heraus die jeweiligen Tatbestände auslegen.
Zweitens widmet sich Wagner jenen Richtern und Staatsanwälten, die sich - nicht selten unter Missachtung des für sie geltenden Mäßigungsgebots - offen zur AfD bekennen oder AfD-nahe Positionen vertreten. So auch eine Meißner Amtsrichterin, die die »Süddeutsche Zeitung« als »Alpen-Prawda« und deren Redakteure als »Schreiberlinge« charakterisierte und zu rassistischen Veranstaltungen aufrief, oder ein Staatsanwalt, für den der amerikanische Präsident Obama ein »Quotenneger« ist. Da sind zwei AfD-nahe Richter am Verwaltungsgericht Gera, bei denen Asylverfahren mit Flüchtlingen aus Afrika fast nie gewonnen werden. Ein weiteres Beispiel ist jener Staatsanwalt, der ein Ermittlungsverfahren gegen die Künstlergruppe Zentrum für politische Schönheit wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung (!) eingeleitet hatte. Auslöser war, dass die Aktionskünstler neben dem Wohnhaus von AfD-Rechtsaußen Björn Höcke einen Nachbau des Berliner Holocaust-Mahnmals errichtet hatten.
Nicht nur in diesem Fall missbrauchte der Staatsanwalt, der während seines Studiums schon mal »Jura-Nazi« gerufen wurde, sein Amt zur Bekämpfung politischer Gegner. Die Reaktion der Justiz auf solche Fälle ist unbefriedigend. Ihre Haltung wird oft durch einen Korpsgeist bestimmt. Disziplinarverfahren, die wiederum nicht öffentlich sind, werden in der Regel nur aufgrund äußerer Anstöße eingeleitet. Die Sanktionen sind überwiegend milde. Lediglich in einem Fall wurde ein Staatsanwalt aus dem Dienst entlassen.
Die dritte Ebene in der Analyse Wagners ist die der etwa 40 000 Schöffen, Laienrichter und der ehrenamtlichen Richter an den Landesverfassungsgerichten. Die rechtsextremen Parteien (NPD, AfD) fordern ihre Anhängerschaft auf, sich für solche Funktionen zu bewerben, um Einfluss auf die Rechtsprechung zu gewinnen. Von spürbarem Erfolg ist das noch nicht gekrönt. Hingegen stellt die AfD Verfassungsrichter in Bayern und Baden-Württemberg. Unverständlich ist in diesem Kontext Wagners Hinweis, dass auch von einer Verfassungsrichterin der Linkspartei eine Gefahr ausgehe, da sie für einen Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsstrukturen eintrete. Mit dieser Forderung bewegt sie sich nämlich ebenso auf dem Boden des Grundgesetzes wie die Unterzeichner des Berliner Volksbegehrens zur Enteignung großer Immobilienkonzerne.
Die Situation in der bundesdeutschen Justiz ist nicht mit der in der Weimarer Republik oder mit der nach 1949 vergleichbar, wo Nazirichter den Großteil der Richterschaft bildeten. Insofern ist Wagners gut recherchiertes Buch ein Weckruf. Um den Anfängen zu wehren, regt er eine Reihe von sinnvollen Maßnahmen an. Sie reichen von der Auseinandersetzung mit dem nazifaschistischen Recht in der Juristenausbildung über eine sorgfältigere Auswahl des Personals bis hin zu einer Reformierung des Dienstrechts. Abzulehnen ist jedoch die vom Autor geforderte Regelanfrage beim Verfassungsschutz. Dagegen sprechen die Erfahrungen mit dem »Radikalenerlass« und die Erkenntnisse aus den NSU-Untersuchungsausschüssen, nach denen der Verfassungsschutz ein Fremdkörper in der Demokratie ist, der selbst rechtsradikale Netzwerke förderte. Das beste »Gegengift« gegen die aufgezeigten Tendenzen ist immer noch eine konsequente Demokratisierung der Justiz.
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