Missverstandene Inklusion im modernen Kapitalismus

Viele Unternehmen und Organisationen behaupten, inklusiv zu arbeiten. Doch das stimmt nicht, meint Greta Niewiadomski.

  • Greta Niewiadomski
  • Lesedauer: 4 Min.

Je populärer Inklusion wird, desto mehr wird diese zum Greenwashing 2.0. Genauso wie die Organic Fashion von einigen Kleidungshersteller*innen nicht zur Rettung des Planeten beiträgt, so geht es bei vielen Diversity Kampagnen und Inklusionsveranstaltungen um genau das Gleiche: Profitmaximierung. Nur handelt es sich hierbei nicht um Textilproduktion, sondern um Marketing, für welches Menschen mit Behinderung genutzt werden, die davon selbst kaum profitieren.

Ich bin keine Gegnerin von Inklusion und gewissermaßen bin ich auch selbst daran beteiligt, meine eigene Behinderung zu vermarkten, um mehr Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen. Mir selbst fehlt seit meiner Geburt die rechte Hand und erst seit etwa zwei Jahren nutze ich eine bionische Handprothese, die sehr cool und futuristisch aussieht. Dies ist der springende Punkt: Seitdem ich nicht mehr einhändig bin, was aus gesellschaftlicher Sicht leider immer noch für erschrockene Blicke sorgt, begegnen mir die Menschen mit positivem Erstaunen und Interesse. Zum einen ist es fraglich, inwiefern ich nun ungefragt als Inspiration wahrgenommen werde und zum anderen ist es sehr verletzend, dass dies in vielen Kontexten nur mit meinem elektronischen Gadget möglich ist.

Greta Niewiadomski

Greta Niewiadomski engagiert sich für die Rechte Behinderter. Die 20-Jährige studiert seit 2020 Psychologie in Würzburg, zudem ist sie ehrenamtliche Betreuerin in einem jährlichen Jugendcamp für Kinder mit Amputationen. Auf Instagram bloggt sie unter @gretamariq.

Seitdem ich die Prothese trage, bekomme ich Shootinganfragen von Modelabels, die meine Behinderung nun für »gesellschaftstauglich« halten und mich vorher extra nochmal bitten, an die »Luke-Skywalker-Hand« zu denken. Das ist keine Inklusion und leider auch kein ernsthaftes Interesse daran, dass Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft wahrgenommen und gleichgestellt werden. Geht es dabei tatsächlich um den Marktwert von Behinderungen und sollen sie wirklich ästhetisch sein?

Echte Inklusion müsste anders aussehen: Es geht dabei um den Einschluss jedes Menschen, unabhängig von äußerlichen Merkmalen, Fähigkeiten, Meinungen und Abstammungen. Dies hebt alle Personen auf dieselbe Stufe, soll im Optimalfall jegliche Hierarchien unterbinden und Handlungsspielräume lassen, um die gemeinsame Umsetzung eines Projekts oder eines Zusammenlebens bzw. Arbeitens zu ermöglichen. Inklusive Projekte müssen nicht plakativ als solche bezeichnet werden, um ihren Zweck zu erfüllen. Sonst würde ich ja inklusiv studieren, in den Urlaub fahren und ins Kino gehen. Umgekehrt sind eben nicht alle Inklusionsprojekte inklusiv.

Tatsächlich wird bei aktuellen Inklusionsmaßnahmen aber eines am wenigsten berücksichtigt: die Betroffenen. Damit meine ich nicht ausschließlich die Menschen mit Behinderung, sondern alle Beteiligten. Denn zuallererst entstehen bei einigen Inklusionsprojekten Hierarchien, indem Menschen mit Behinderung nicht als gleichwertig, sondern als hilfsbedürftig und somit abhängig klassifiziert werden. Dies verhindert einen Umgang auf Augenhöhe und sorgt für erhebliche Selbstzweifel auf der einen und eine ungesunde, erhabene Selbstwahrnehmung auf der anderen Seite.

Visueller Wahlkampf - Menschen mit Behinderung wurden im Wahlkampf ignoriert, kritisiert Julia Probst

Auf dem Weg zu echter Inklusion stolpern wir über ein gewaltiges Hindernis: Den Kapitalismus. Es handelt sich hierbei um ein System, das von Leistung, Wachstum und Ungerechtigkeiten auf Kosten vieler lebt. Dabei wird sich an den aus ökonomischer Sicht »Stärksten« orientiert und wenig Rücksicht auf psychische Gesundheit, Gleichberechtigung und Empathie genommen, solange dies für den kurzfristigen Aufschwung nicht zufällig von vehementer Bedeutung ist. Doch auch ohne einen plötzlichen Systemwandel könnte die eigene Wahrnehmung von Menschen mit und ohne Behinderung überprüft werden. Wie auch bei rassistischen und sexistischen Aussagen im Netz müssen wir ableistischem Content konsequent entgegentreten und hierbei nenne ich die Tatsache, dass sich prominente Personen mit rollstuhlfahrenden Kindern fotografieren lassen, nur als ein Beispiel von vielen.

Menschen mit Behinderung werden an den Rand der Gesellschaft gedrängt und als Belastung, anstatt als Bereicherung wahrgenommen. Deutlich wird dies anhand der Tatsache, dass in Deutschland etwa zehn Prozent der Einwohner*innen eine Behinderung haben. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass kaum ein Freund*innenkreis dies widerspiegelt. Menschen mit und ohne Behinderung werden vom Kapitalismus behindert, der echte Inklusion verhindert.

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