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Breite Abwehr
Bundesinnenminister Seehofer will Geflüchtete schon in Polen abfangen
Mehrere Hundert Menschen überwinden derzeit täglich die polnisch-deutsche Grenze. Die Menschen, die offenbar überwiegend aus Belarus kommend durch Polen bis nach Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg oder Sachsen gelangt sind, werden dort zunächst in den Landeserstaufnahmezentren für Geflüchtete und Migranten untergebracht. Seit August sollen nach Behördenangaben 5000 bis 6000 Personen in den drei Bundesländern eingetroffen sein. Die meisten stammen demnach aus Afghanistan, Iran, Irak und Syrien.
Vertreter der Bundespolizei sprechen schon von Zuständen wie jenen im Jahr 2015 an der deutsch-österreichischen Grenze - und fordern entsprechend personelle Verstärkung und engmaschige Kontrollen an der polnischen Grenze. Das aber trifft nicht einmal unter konservativen Politikern auf Zustimmung. Zu eng sind die wirtschaftlichen Beziehungen nach Polen, aber auch in die Ukraine.
Insbesondere die AfD im Bundestag und rechtsradikale Gruppierungen wie der III. Weg nutzen die Gelegenheit, Angst vor den Neuankömmlingen zu schüren. Letzterer ruft für diesen Samstag unter dem Motto »Asylflut stoppen« überregional zum privaten »Grenzschutz« auf, insbesondere im Großraum Guben im Süden Brandenburgs. Wegen des Aufrufs des III. Weges, Nachtsichtgeräte mitzunehmen, fürchtet die bundesweit aktive Initiative Jugendliche ohne Grenzen »paramilitärisch organisierte Versuche, Asylsuchenden den Weg nach Deutschland abzuschneiden« in ähnlicher Form, wie dies an der bosnisch-kroatischen Grenze geschieht, wo Milizen Schutzsuchende illegal zurückprügeln.
In Reaktion auf die Ankündigung der rechten Gruppierung planen Aktive unter anderem aus Willkommensinitiativen eine auf 24 Stunden angesetzte Mahnwache in Guben. Sie wollen ein Zeichen »gegen Rassismus und für Bewegungsfreiheit« setzen.
Die Ministerpräsidenten der Länder haben derweil bei ihrer Konferenz in Königswinter bei Bonn eine eher hilflose Anklage an den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko gerichtet, der für die gewachsene Zahl über Osteuropa nach Deutschland und in die EU kommender Geflüchteter allein verantwortlich gemacht wird, weil er für Menschen aus den genannten Herkunftsländern die Grenzen geöffnet hat und sie mutmaßlich gezielt an die EU-Außengrenze bringen lässt. Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Nordrhein-Westfalens Regierungschef Armin Laschet (CDU), nannte Lukaschenkos Vorgehen am Freitag »menschenverachtend«. Die Länder wollten sich »darauf einstellen, wie man mit den steigenden Zahlen jetzt menschenwürdig umgeht und trotzdem diesen nicht akzeptablen Zustand in Europa kritisiert«.
Bundesinnenminister Horst Seehofer sprach im Zusammenhang mit den vermehrten Grenzübertritten hingegen von einer »hybriden Bedrohung« und der Notwendigkeit, deren »Abwehr« zu organisieren. Der CSU-Politiker schlug seinem polnischen Amtskollegen Mariusz Kaminski am Mittwoch gemeinsame »Begehungen« an der deutsch-polnischen Grenze vor. Es gehe darum, Menschen zu identifizieren, aber auch Straftaten wie etwa Schleusungen aufzudecken, erklärte Seehofer. Offenbar geht es ihm vor allem darum zu verhindern, dass Geflüchtete nach Deutschland kommen. Er lobte Polens Regierung zugleich für ihre Flüchtlingsabwehr an der Grenze zu Belarus.
Dies kritisierte die Hilfsorganisation Pro Asyl scharf. Seehofer rede viel von Humanität und Rechtsstaatlichkeit, schweige aber zur »eklatanten Verletzung des Asylrechts, der Menschenwürde und des Zurückweisungsverbotes an den Außengrenzen«, sagte Karl Kopp, Leiter der Europa-Abteilung von Pro Asyl, am Mittwoch. Menschen, die an deutschen Grenzen ankommen, dürften nicht nach Polen abgeschoben werden, sondern hätten ein Recht auf ein faires Asylverfahren in der Bundesrepublik. Kopp nannte es zynisch, dass die EU-Länder mit »dem Aushebeln der Menschenrechte« auf das Vorgehen Lukaschenkos reagieren, der »für Menschenrechtsverletzungen sanktioniert« werde.
Auch die sächsische Linke-Politikerin Juliane Nagel forderte Bundes- und Landespolitik auf, sich konsequent »gegen die polnische Praxis der illegalen Pushbacks« zu wenden und in Deutschland Ankommenden »eine sichere Zuflucht« zu gewähren. An die sächsische Landesregierung richtete die Landtagsabgeordnete am Freitag den Appell, in Sachsen angekommene Personen menschenwürdig unterzubringen. Es brauche Alternativen zu den Erstaufnahmelagern, wo Kapazitäten »maßlos« ausgelastet würden und trotz sinkender Temperaturen auf Leichtbauhallen gesetzt werde. Die Geflüchteten müssten zügiger verteilt werden, sowohl in andere Bundesländer als auch in sächsische Kommunen. In letzteren sei Platz. Ende Juni waren laut Landesregierung auf Anfrage der Linken noch 4200 Plätze in den Wohnungen frei, die die Landkreise und kreisfreien Städte im Freistaat für Geflüchtete vorhalten.
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