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Beteiligung wird zurückgedrängt
Mieterbeiräte der landeseigenen WBM beklagen zunehmend schlechten Kontakt
Diesen Montag treffen sich Mieterräte und Mieterbeiräte der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften zu ihrer in der Regel jährlich stattfindenden Konferenz. Um den »Mehrwert der Interessenvertretung« soll es bei der Veranstaltung auf Einladung der Wohnraumversorgung Berlin gehen.
Mieterbeiräte der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) berichten jedoch im Gespräch mit »nd« eher von einem Zurückdrehen des Rades seitens der Gesellschaft. »In der Vergangenheit haben gemeinsame Beratungen stattgefunden. Die Tendenz ist jedoch, die getroffenen Vereinbarungen still und heimlich aufzulösen«, sagt ein Beirat aus der Leipziger Straße. Er will wie seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter seinen Namen nicht in der Zeitung lesen, um die Tür für weitere Gespräche nicht zuzuschlagen.
Die Mieterbeiräte beziehen sich dabei auf die zuletzt 2019 mit der WBM aktualisierte Vereinbarung, in der mehrmals von »gemeinsamen Absprachen«, Unterrichtungen und Zusammenarbeit die Rede ist. »Manche Mieterbeiräte sahen einen Zettel im Aufgang, auf dem steht, dass hier ein neuer Mieterbeirat gegründet wird und sich Menschen bewerben sollen«, berichtet einer der Unzufriedenen. Die WBM geht nämlich dazu über, Quartiers-Mieterbeiräte für größere Bereiche mit bis zu 3000 Wohnungen zu gründen. »Die sind im Prinzip nicht zu betreuen, weil es keinen persönlichen Kontakt mehr gibt«, sagt eine Beirätin.
Die WBM weist das zurück. »Alle Mieterbeiräte wurden bereits im Oktober 2020 von unserer Geschäftsführung informiert, dass wir weitere Mieterbeiräte bilden wollen«, so Sprecher Christoph Lang auf nd-Anfrage. Im Andreasviertel in Friedrichshain habe es zwei alte Mieterbeiräte gegeben. Bei einem sei die Wahlperiode abgelaufen gewesen. Der zweite Beirat habe nach dem Verbleib von nur noch zwei aktiven Mitgliedern nicht mehr die nötige Legitimation. »Somit ist auch hier eine Neuwahl notwendig«, so Lang weiter. Richtig sei, dass die WBM ihre Bestände in Quartieren neu zusammenfasse und die Struktur der Mieterbeiräte dem anpassen wolle. »Das bedeutet aber nicht, dass wir engagierte Beiräte oder eingegangene Verpflichtungen missachten«, erklärt Lang. »Kommunikationspannen oder Missverständnisse« seien jedoch »nie ganz auszuschließen«.
»Es sind inzwischen Finanzmanager, die die WBM führen. Es geht nur noch darum, das Unternehmen finanziell zurechtzubürsten«, sagt eine Mieterbeirätin.
»Ich beobachte, dass die WBM eine neue Struktur durchsetzt, für die eine bestehende, funktionierende Struktur zerschlagen wird«, sagt Jan Kuhnert zu »nd«. Bis Ende 2020 war er einer der beiden Vorstände der Wohnraumversorgung Berlin. »Was wir brauchen ist eine möglichst kleinteilige Beteiligungsstruktur, die unten aufgesetzt ist«, so Kuhnert weiter. »Die Größe mancher Gebiete erschwert eine sinnvolle Arbeit dieser Beteiligungsgremien deutlich«, kritisiert er.
Nachfolger von Kuhnert bei der Wohnraumversorgung ist trotz erheblicher Proteste der Mieterbewegung und auch von Grünen und Linke der SPD-Politiker Volker Härtig geworden. Er stellt in einer internen Mail, die »nd« vorliegt, die Frage, »ob der Laden noch Sinn macht« und kommentiert: »Aktivisten und Fundamentalisten im Staatsdienst, das passt selten.« Die Wohnraumversorgung soll die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften kontrollieren und beraten. »Härtig fiel bisher nicht etwa als Experte hohen Sachverstands auf, sondern vor allem als ›Pöstchenritter‹ kurzfristiger Geschäftsführungen zahlreicher öffentlicher Einrichtungen«, sagte Horst Arenz von der Initiative Mietenvolksentscheid in der Debatte um die Personalie.
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