Triumph für Frauenrechte und Presse

Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt Kolumbien im Fall Jineth Bedoya

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.
»Das Urteil deckt wie ein Röntgenbild auf, dass grundlegende Reformen in der Organisation der Sicherheitskräfte und der Justiz nötig sind«, urteilt Gustavo Gallón. Der Direktor der Kolumbianischen Juristenkommission, einer Menschenrechtsorganisation mit Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen, plädiert seit Jahren für Reformen und begrüßt, dass der Anstoß dafür aus dem Ausland kommt. Genauer aus Costa Rica, wo der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte in San José seinen Sitz hat.

Es war ein historisches Urteil am Montag. In allen Punkten haben die Richter*innen in San José den kolumbianischen Staat im Fall Jineth Bedoya für verantwortlich erklärt. Für die Entführung der am 25. Mai 2000 für die Tageszeitung »El Espectador« recherchierenden Journalistin seien staatliche Institutionen genauso mitverantwortlich gewesen wie für die Folter und Vergewaltigung Bedoyas. Mehr noch, die Richter*innen wiesen darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft kein Ermittlungsinteresse gehabt habe, obwohl die Journalistin Beweise und Indizien, die sie selbst recherchiert hatte, vorgelegt habe.

Das 92-seitige Urteil ist für Pressevertreter*innen, aber auch für Tausende Opfer von sexueller Gewalt ein Hoffnungsschimmer, denn es erkennt sexuelle Gewalt auch als Instrument an, mit dem jemand zum Schweigen gebracht wird, so Viviana Krsticevic. Sie ist Direktorin des Zentrums für Gerechtigkeit und Internationales Recht (CEJIL), hatte Jineth Bedoya vertreten und war am Dienstag auch auf der Pressekonferenz in den Räumen der Stiftung für die Pressefreiheit (FLIP) in Bogotá zugegen.

»Der 18. Oktober 2021 wird als der Tag in die Geschichte eingehen, an dem ein Kampf, der mit einer Straftat an einer einzelnen Person begann, dazu führte, dass die Rechte von Tausenden von Frauen, die Opfer sexueller Gewalt wurden, verteidigt wurden«, erklärte Bedoya dort auf dem Podium.

Die Journalistin war am 25. Mai 2000 vor dem Gefängnis La Modelo entführt worden, wo sie ein Interview mit inhaftierten Paramilitärs führen sollte. Das vereinbarte Interview war eine Falle. Bedoya wurde brutal vergewaltigt, gefoltert und brachte trotzdem die Kraft auf, für Gerechtigkeit zu kämpfen. Nicht nur für sich und ihre Kolleg*innen, die immer wieder in den Fokus von Paramilitärs, Guerilla, aber auch staatlichen Akteuren geraten, sondern auch für alle Frauen, die Opfer von sexueller Gewalt wurden. Dafür steht ihr Projekt »Es ist nicht die Zeit zu schweigen«, das nun laut dem 92-seitigen Urteil vom kolumbianischen Staat finanziert werden muss.

Weiter wird die kolumbianische Regierung dazu verurteilt, für die Sicherheit von Journalist*innen zu sorgen, so Jonathan Bock, Direktor der Stiftung für Pressefreiheit (FLIP) in Bogotá. »Dieses Urteil gibt uns als Presseorganisation, aber auch der Gesellschaft Instrumente in die Hand, um Grundrechte zu verteidigen. Es verurteilt die Untätigkeit der Ermittlungs- und Justizbehörden und mahnt Reformen an«, so Bock.

Die erste Reaktion von Kolumbiens Präsident Iván Duque gibt zumindest Anlass, auf Einsicht und Besserung zu hoffen. Er akzeptierte das Urteil, obwohl der Vertreter der kolumbianischen Regierung die Verhandlung des Falles im März noch verlassen und den Richter*innen Einseitigkeit vorgeworfen hatte. Davon war ein halbes Jahr später nicht mehr die Rede. Der kolumbianische Staat lehne jegliche physische und psychische Aggression gegen Frauen ab, schrieb Duque auf Twitter. Jineth Bedoya hätte niemals entführt und gefoltert werden dürfen.

Doch die positive Reaktion des Präsidenten ist das eine. Zur traurigen Realität Kolumbiens gehört, dass Urteile und auch Verträge längst nicht immer umgesetzt werden. Die Ausnahme ist eher die Regel.

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