Ein Kühlschrank für unter zwei Euro

Wenn einmalige Kosten anfallen, bringt das Menschen in Hartz IV in extrem bedrohliche Lebensumstände

Wenn der Kühlschrank kaputt ist, eine Brille benötigt wird, oder der Personalausweis abgelaufen ist und damit Gebühren für den neuen anfallen, bringt das Grundsicherungsbeziehende in äußerste finanzielle Notlagen. Denn für solche Posten ist kaum etwas in den Regelsätzen für Hartz IV vorgesehen. Beispielsweise sind lediglich unter zwei Euro im Monat für die Anschaffung eines Kühlschrankes oder eine Waschmaschine vorgesehen. Die Grundlage dafür ist, dass bei der Festlegung angenommen wurde, eine Waschmaschine würde im Schnitt nur 100,96 Euro kosten. Für solche seltenen, »einmaligen« Anschaffungen sollte eigentlich eine neue Regelung geschaffen werden.

Denn die in den Regelleistungen dafür vorgesehenen Beiträge sind zu gering. Jedenfalls wenn es nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts geht. In diesem hatte das höchste Verfassungsorgan bereits im Jahr 2014 festgestellt, dass die Regelbedarfe in einer Höhe bemessen sind, die kurz vor der Verfassungswidrigkeit liegen, und außerdem vorgegeben, eine Anspruchsgrundlage für Elektrogroßgeräte, Brillen und allgemein für einmalige Bedarfe zu schaffen.

Schlappe sieben Jahre später hat die Bundesregierung das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt. In dem neuen Regelbedarfsermittlungsgesetz, das Anfang 2021 in Kraft trat, wurde erstmals eine Anspruchsgrundlage für diese einmaligen Bedarfe eingeführt. Für Menschen in der Grundsicherung besteht nun also nicht mehr nur ein Anspruch auf laufende, sondern auch auf einmalige, unbedingt notwendige Bedarfe. Zumindest, sofern diese von den Jobcentern bewilligt werden. Doch genau da liegt das Problem.

Wer eine Brille, ein Elektrogroßgerät, ein amtliches Dokument benötigt, wessen Handy oder Computer kaputt ist, wer Reisekosten zu einer Beerdigung braucht, kurzum, alle, die mal in die Situation kommen, einen »einmaligen Bedarf« zahlen zu müssen, sollten nun theoretisch nicht mehr im Regen gelassen werden. In dem Gesetz steht nämlich, dass einmalige Bedarfe zu gewähren sind, wenn ein Darlehen »wegen der Art des Bedarfs nicht möglich ist«, oder wenn ein Darlehen »nicht zumutbar« ist. Laut dem Sozialwissenschaftler und Erwerbslosenaktivist Harald Thomé ist ein Darlehen beispielsweise dann nicht zumutbar, wenn die Bedarfe für den jeweiligen Posten in dem Hartz-IV-Regelsatz zu gering bemessen oder gar nicht vorhanden sind. Unzumutbar seien Darlehen auch dann, wenn Betroffene bereits andere Rückzahlungsverpflichtungen leisten müssen oder schon stärker finanziell belastet sind, etwa durch gestiegene Energiepreise. Schließlich sind die Hartz-IV-Regelsätze so knapp bemessen, dass kein Spielraum besteht.

Bisher blieb Beziehenden von Grundsicherung aber in der Regel nichts anderes übrig, als einen Kredit aufzunehmen, um etwa einen kaputten Kühlschrank ersetzen zu können. Für die Rückzahlung muss dann monatelang an anderen lebenswichtigen Posten wie gesunder Ernährung gespart werden. Eigentlich sollte damit nun Schluss sein. Nur fehlt dafür noch die praktische Umsetzung von der Bundesagentur für Arbeit (BA). Diese hat sich nach Inkrafttreten des Regelbedarfsermittlungsgesetzes 2021 noch einmal zehn Monate Zeit gelassen, um eine entsprechende Dienstanweisung zu den einmaligen Bedarfen für die Jobcenter herauszugeben.

Aber statt konkret auszuführen, wann ein Anspruch für einen einmaligen Bedarf besteht, führt die Bundesarbeitsagentur in der Dienstanweisung für die Jobcenter wieder nur aus, dass bei einmaligen Bedarfen grundsätzlich ein Darlehen in Betracht komme. »Damit sagt die BA: ist ein Bedarf vom Regelsatz umfasst, gibt es nur Darlehen und eben keine einmaligen Bedarfe, die auf Zuschussbasis zu erbringen sind«, schlussfolgert Thomé. »Dieser Weisungstenor ist angeordneter Rechtsbruch«, so der Erwerbslosenaktivist. Die Weisung sei für alle BA-Mitarbeitenden verbindlich, keiner werde es wagen, die eigentlich nach der neuen Rechtsgrundlage zusätzlichen Posten für einmalige Bedarfe zu gewähren.

Immer wieder wird in wissenschaftlichen Gutachten festgestellt, dass die Hartz-IV-Regelsätze zu niedrig bemessen sind. Beziehende von Grundsicherung leben unterhalb der offiziellen Armutsgrenze. Wenn von dem wenigen Geld dann noch Schulden für lebensnotwendige Dinge abbezahlt werden müssen, wird es richtig bedrohlich. Das Bundesverfassungsgericht hat das bereits vor Jahren festgestellt, die Bundesregierung sieben Jahre später die notwendige Änderung für die einmaligen Posten eingeführt. »Dass die BA dies aber vollständig ignoriert und entgegen der Rechtslage ein ›Weiter so‹ anordnet, ist schon ein starkes Stück«, so Thomé.

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