Moldau geht das Gas aus

Gazprom droht der früheren Sowjetrepublik mit einem Lieferstopp

  • Birger Schütz
  • Lesedauer: 3 Min.

Unternehmen sollen Energie sparen, in Privathaushalten strömt weniger Gas aus dem Hahn, vor den Tankstellen bilden sich lange Schlangen: Wegen Gasmangels hat die Republik Moldau einen einmonatigen Notstand ausgerufen. Die Verordnung gilt seit vergangenem Freitag.

Grund für die nationale Notlage ist ein Konflikt mit dem russischen Energieriesen Gazprom. Dieser hatte einen seit 2006 jährlich verlängerten Gasliefervertrag Ende September auslaufen lassen. Moldau solle seine im Laufe der Jahre aufgelaufenen Schulden - nach Schätzung von Experten bis zu 720 Millionen US-Dollar - bis Dezember begleichen, forderte Gazprom. Außerdem erhöhte das Staatsunternehmen drastisch die Gaspreise für die frühere Sowjetrepublik - von 550 auf 790 Dollar pro tausend Kubikmeter.

Teller und Rand - der Podcast zu internationaler Politik

Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.

Die Regierung in Chisinau verweigerte dem neuen Vertrag die Unterschrift und sucht fieberhaft nach Alternativen zu russischem Gas, mit dem es bisher seinen gesamten Bedarf deckt. Schon am Montag schloss Moldau einen testweisen Liefervertrag über eine Million Kubikmeter Gas mit dem staatlichen polnischen Energiekonzern PGNIG. »Dies ist der erste Kauf von Gas aus alternativen Quellen in der Geschichte der Republik Moldau«, hieß es in einer Pressemeldung. Die gleiche Menge des Energieträgers erwarb Moldau beim niederländischen Rohstoffhändler Vitol. Auch die Ukraine und Rumänien wurde angefragt.

Zudem sprang die EU dem südosteuropäischen Land zur Seite: Am Mittwoch kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach einem Treffen mit Moldaus Regierungschefin Natalia Gavrilita Finanzhilfen in Gesamthöhe von 60 Millionen Euro an. Gavrilita nahm am Donnerstag zudem an einem Treffen des Moldau-Assoziationsrates in Brüssel teil. Thema war dabei unter anderem die kurzfristige Diversifizierung moldauischer Energielieferungen.

Experten sind sich indes einig: Diversifizierung und neue Lieferverträge genügen nicht, um Moldaus Energiebedarf im kommenden Winter zu decken. Dafür sind die Liefermengen zu gering. Chisinau bleibt auf russisches Gas angewiesen. Unterhändler verhandeln daher mit Gazprom unter Hochdruck über einen möglichen neuen Liefervertrag. Chisinau besteht dabei auf fairen Bedingungen und kurzen Vertragslaufzeiten - bisher erfolglos. So scheiterten in dieser Woche Verhandlungen moldauischer Delegationen mit Dmitri Kosak, dem Vize-Chef der russischen Präsidialadministration, und Gazpromchef Alexej Miller in St. Petersburg. Das Energieunternehmen verlängerte den laufenden Vertrag nur bis Ende November, kürzte die Liefermenge aber um ein Drittel.

Beobachter führen die Gaskrise auf den neuen Westkurs von Präsidentin Maia Sandu zurück. Seit ihrer Wahl im vergangenen Juli strebt Moldau aus dem russischen Einflussbereich - und in die EU. Der Kreml wolle Moldau für die geostrategische Wende bestrafen, wird gemutmaßt. So berichtet die »Financial Times«, Gazprom dränge Moldau, ein Freihandelsabkommen mit der EU und die mit der Union vereinbarte Liberalisierung seines Energiemarktes auf Eis zu legen. Moskau widersprach. »Dies sind rein kommerzielle Verhandlungen«, kommentierte Kremlsprecher Dmitri Peskow.

Der Konflikt mit Moskau ist die erste große Herausforderung für Maia Sandus proeuropäischen Kurs. Angesichts von Gasknappheit und steigender Preise könnten viele Moldauer die neue Ausrichtung ihres Landes in Frage stellen. Die Opposition fordert bereits, Sandu solle sich beugen und nach Moskau reisen.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!