Treffen in Teheran

Afghanistans Nachbarn fürchten Flüchtlinge und Terroristen

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 3 Min.

Afghanistan ist weitgehend verschwunden von den Titelseiten deutscher Medien, in der Region bleibt die Lage weiter virulent. Die Nachbarstaaten fürchten, dass Tausende von Afghan*innen über die Grenzen fliehen könnten, sollte sich die humanitäre Situation nicht bessern; außerdem drohe die Gefahr, dass sich Terroristen des IS festsetzten im Land und die ganze Region bedrohten.

Grund genug also für alle Nachbarstaaten, sich zum zweiten Mal zum Austausch zu treffen und eine gemeinsame Linie festzulegen. Am Mittwoch kamen die Außenminister Turkmenistans, Usbekistans, Tadschikistans und Pakistans in der iranischen Hauptstadt Teheran zusammen, per Video waren auch die Vertreter Chinas und Russlands beteiligt. Das erste Treffen dieser Art hatte Anfang September virtuell stattgefunden, auf Einladung Pakistans; der nächste Gastgeber soll China sein, ein Termin dafür wurde jedoch noch nicht bekannt gegeben.

Abschlusserklärung

Der Iran hat die radikalislamischen Taliban zu einer »freundlichen Haltung« gegenüber Afghanistans Nachbarländern aufgefordert. Die neuen Herrscher in Kabul müssten versichern, »dass von Afghanistan keine Bedrohung für seine Nachbarn ausgeht«, sagte der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian bei dem Teheraner Treffen. Die Nachbarländer seien von der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan am meisten betroffen, so Amir-Abdollahian.

Die Nachbarstaaten einigten sich auf eine Abschlusserklärung, die die Taliban dazu aufruft, eine »inklusive Regierung« zu bilden, die alle ethnisch-religiösen Gruppen einschließe. »Eine integrative und breit angelegte politische Struktur unter Beteiligung aller ethnisch-politischen Gruppen ist die einzige Lösung für die Probleme Afghanistans«, heißt es in der Erklärung laut der afghanischen Nachrichtenwebseite Tolonews. Es sollten Maßnahmen ergriffen werden, um »die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern und die Grundrechte der ethnischen Gruppen, Frauen und Kinder in Afghanistan zu schützen«.

Das klingt erst einmal vielversprechend und lässt Hoffnung aufkommen, dass den Nachbarstaaten die Menschenrechtslage in Afghanistan nicht völlig gleichgültig ist. Der Erklärung ist jedoch deutlich zu entnehmen, dass die Außenminister zwei Dinge vor allem als »Gefahren« für die eigenen Länder ansehen: die Zunahme afghanischer Flüchtlinge und die Angst vor terroristischen Gruppen, die Afghanistan als Basis nutzen könnten, so der lokale IS-Ableger. Insbesondere der Iran fürchtet dies, haben die jüngsten blutigen Attentate auf schiitische Moscheen in Afghanistan gezeigt, wer im Kreuzfeuer des IS steht; der mehrheitlich schiitische Iran fühlt sich in dieser Frage direkt betroffen. Tehran Times zufolge sagte Außenminister Amir Abdollahian, die Taliban hätten die »unbestreitbare Aufgabe«, für die Sicherheit der afghanischen Bürger zu sorgen und den Terrorismus im Lande zu bekämpfen.

Ein weiterer brennender Punkt war die Frage der Flüchtlinge, hier fordern die Nachbarländer finanzielle Unterstützung seitens der internationalen Gemeinschaft für die Aufnahmeländer, insbesondere Pakistan und den Iran. Der Iran schiebt schon jetzt tagtäglich Tausende Afghan*innen ohne Papiere ab. Die Nachbarstaaten fordern, dass die internationalen Sanktionen gegen Afghanistan aufgehoben werden, damit der Finanztransfer wieder funktioniert und Gehälter ausgezahlt werden können.

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