Junta ignoriert Bedrängnis

Die Putschregierung in Myanmar will Isolation, wirtschaftlichen Abschwung und Chaos aussitzen

  • Alexander Isele
  • Lesedauer: 4 Min.

Fast auf den Tag genau ein dreiviertel Jahr nach dem Putsch in Myanmar an diesem Montag hat das Militärregime ein erstes Urteil gegen einen ranghohen Vertreter der Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) gefällt. Ein Militärgericht verurteilte am Freitag einen der engsten Weggefährten der entmachteten Staatsministerin und in dieser Position De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi wegen Hochverrats zu 20 Jahren Haft. Der Schuldspruch gegen den 80-jährigen Win Htein sei erfolgt, weil dieser den Militärputsch vom 1. Februar verurteilt hatte. Unter der früheren Junta hatte Win Htein bereits etliche Jahre im Gefängnis gesessen.

Vergangene Woche hatte Aung San Suu Kyi selbst zum ersten Mal in einem der zahlreichen Verfahren gegen sie ausgesagt. Die 76-Jährige wies dabei die Anschuldigung der »Anstiftung zum Aufruhr« zurück. Die Junta wirft ihr weiter vor, gegen Corona-Auflagen im Wahlkampf 2020 verstoßen und Funkgeräte illegal besessen zu haben. Außerdem wird sie der Korruption und des Verrats von Staatsgeheimnissen beschuldigt. Den klaren Wahlsieg der NLD hat das Militär nicht anerkannt und den Putsch vom 1. Februar mit Wahlbetrug begründet, ohne allerdings Beweise dafür vorzulegen.

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In den vergangenen neun Monaten ist es der Junta nicht gelungen, das Land unter Kontrolle zu bringen; stattdessen breiten sich Gewalt und Chaos im Land weiter aus. In den Städten gingen die Proteste in bewaffnete Kämpfe zwischen pro-demokratischen Demonstranten und Sicherheitskräften über, während sich in verschiedenen Regionen des Landes Anti-Junta-Gruppen mit einigen der zahlreichen Rebellengruppen zusammentaten, um militärisch ausgebildet zu werden. Die scheidende UN-Sonderbeauftragte für Myanmar warnte im Oktober, das Land sei in einen Bürgerkrieg abgerutscht.

Jüngstes Beispiel: Erst am Freitag soll laut Berichten von der Hilfsorganisation Save the Children bei Gefechten im Norden Myanmars in einer weitgehend verlassenen Kleinstadt mindestens 100 Gebäude vom Militär vorsätzlich niedergebrannt worden sein. Das Militär hatte in den vergangenen Wochen eine Offensive in der abgelegenen Region des an Indien grenzenden Chin-Staates ausgeweitet. In der weitgehend verlassenen Stadt Thantlang, die vor den Kämpfen rund 10 000 Einwohner gehabt habe, seien schwere Waffen eingesetzt worden. Die Brände drohten, die ganze Stadt zu zerstören.

Nach Angaben der UN sind drei Millionen Menschen aufgrund von Konflikten, Ernährungsunsicherheit, Naturkatastrophen und Corona auf lebensrettende Hilfe angewiesen. Die Junta zeigt jedoch keine Anzeichen von Kompromissbereitschaft und verweigert Gespräche mit der NLD oder der Schattenregierung der Nationalen Einheit (NUG), gegründet von untergetauchten NLD-Abgeordneten.

Auch die Gemeinschaft südostasiatischer Staaten (Asean), die eine Vermittlerrolle eingenommen hat, verliert die Geduld. Noch im April wurde Putschgeneral Min Aung Hlaing zu Krisengesprächen mit Asean-Mitgliedern nach Jakarta eingeladen. Er wurde aufgefordert, sofort die Gewalt zu beenden, den Versöhnungsprozess einzuleiten und einem Sondergesandten zu erlauben, sich mit allen Beteiligten zu treffen, inklusive Aung San Suu Kyi. Keine dieser Forderungen wurde erfüllt.

Stattdessen hat die Gewalt das Land an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Jüngste Berichte deuten darauf hin, dass die Junta systematisch politische Gefangene gefoltert hat. 130 Menschen sollen so umgekommen sein. Außerdem sind bei Protesten gegen den Putsch mehr als 1200 Menschen von Sicherheitskräften getötet worden. Das Militär verzeichnet mittlerweile im eskalierenden Bürgerkrieg hohe Verluste. Mehr als 1500 Soldaten sollen seit August ums Leben gekommen sein.

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Dass Asean nun reagierte und Min Aung Hlaing vom Jahrestreffen vergangene Woche ausgeladen hatte, ist ein deutlicher Rückschlag für das Regime. Vorerst dürfte die Junta international weitgehend isoliert bleiben, auch wenn Russland weiter Waffen an das Militär verkauft und China die Regierung anerkennt, aber gleichzeitig auch mit der NUG spricht. Die Schattenregierung wiederum erzielt kleine Erfolge. So hat etwa der Senat des französischen Parlaments die NUG als legitime Regierung Myanmars anerkannt. In Tschechien durfte sie vergangene Woche ein offizielles Büro eröffnen.

Die Junta kann sich mit Gewalt an der Macht halten. Doch die Wirtschaft befindet sich in einem freien Fall. Die Landeswährung Kyat hat allein im September 60 Prozent seines Wertes verloren. Treibstoff- und Lebensmittelpreise schießen in die Höhe. Ein anhaltender Boykott der Stromrechnungen hat die Junta um Einnahmen in Höhe von einer Milliarde US-Dollar gebracht. Die Arbeitslosigkeit ist stark gestiegen. Ausländische Unternehmen ziehen sich aus Myanmar zurück, vor allem europäische. Zuletzt kündigte auch das indische Unternehmen Adani Ports and Special Economic Zone an, seine Investitionen aus Myanmar zurückzuziehen. Der Hafenbetreiber hatte an einem 290 Millionen US-Dollar teuren Containerterminal gearbeitet. Die Militärregierung will die Situation im Land und die internationale Isolation aussitzen. Den Preis wird die Bevölkerung zahlen müssen.

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