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Hex, Hex und Simsalabim

»Motherland Fort Salem« - eine Fantasy-Serie von Amazon Prime mit sehr realen Analogien

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.
Militarismus meets Feminismus: US-Hexen sollen die USA retten
Militarismus meets Feminismus: US-Hexen sollen die USA retten

Zauberschulen sind im popkulturellen Fantasy-Universum nicht erst seit Harry Potter wichtiger Schauplatz für Coming-of-Age-Geschichten. Sie erleben in jüngster Zeit sogar einen regelrechten Boom.

Eine ganz besondere und sehr eigenwillige Art von magischer Ausbildungsstätte ist das War College in der US-amerikanischen Serie »Motherland Fort Salem«, die gerade auf Amazon Prime in die zweite Staffel geht. Sie erzählt von einer matriarchalen Parallelwelt, in der die amerikanischen Hexen Ende des 17. Jahrhunderts im Titel gebenden Salem, einem Schauplatz brutaler Hexenverfolgungen, eine vertragliche Vereinbarung mit den staatlichen Behörden schließen. Sie versprechen jenen, ihre magischen Kräfte als Armee zur Verfügung stellen und so die Unabhängigkeit vom britischen Empire mit zu erkämpfen.

Die militärische Ausbildungsstätte in Salem erinnert an die elitäre Militärakademie von Westpoint, die allein etwa 25 Prozent des Offiziernachwuchses der US-Army ausbildet. In der Fantasy-Serie gibt es neben den systemtreuen Hexen in Uniform eine Hexen-Terrorgruppe namens Spree, die Anschläge verübt und den schon über 300 Jahre währenden Bund der Hexen mit Politik und Staatlichkeit in Frage stellt. Schließlich tritt auch eine uralte, männerbündische Gruppierung namens Camarilla auf den Plan, um der gesellschaftlich in der Kritik befindlichen Macht der Hexen den Kampf anzusagen.

Im Zentrum der Geschichte stehen die drei Kadettinnen Raelle (Taylos Hickson), die aus eher einfachen Verhältnissen stammt, Abigail (Ashley Nicole Williams), Tochter einer politisch einflussreichen Ostküsten-Hexen-Dynastie, und Tally (Jessica Sut-ton), die gefährlich nahe an das Machtzentrum der matriarchalen Militärkaste herankommt. Die drei Soldatinnen müssen wie in sonst mit jungen Männern besetzten Militärgeschichten die üblichen Werte Loyalität, Mut und Tapferkeit unter Beweis stellen und gleichzeitig fleißig den Status Quo in Frage stellen. Denn natürlich ist auch in der mitunter als recht autoritär dargestellten matriarchalen Hexenordnung bei weitem nicht alles in Ordnung.

»Motherland Fort Salem« reproduziert auf geradezu verstörende Weise soldatischen und nationalistischen Pathos, wie er sonst in männlich dominierten Armeegeschichten zu finden ist, nur dass es hier eben junge Frauen sind, die um Heldenmut und Anerkennung ringen. Wobei die Serie zusätzlich noch ein komplexes matriarchales World-Building bietet, das eine ganze Geschichte der Frauen- und Hexenvorherrschaft, aber auch Beziehungsrituale für junge Frauen und Männer und eine eigene Form von Eheschließungen in Szene setzt.

In dieser Serie regiert eine Frau die USA. Zudem ist die Präsidentin schwarz. Auch die restliche politische Elite weist nur wenige Männer auf. Ebenso finden sich international Hexen an den Schlüsselpositionen politischer Macht. Ausgerechnet Den Haag, dessen Internationalen Gerichtshof die USA in der realen Welt nur sehr bedingt anerkennen, ist die Schaltzentrale globaler politischer Machtstrukturen, denen in »Motherland Fort Salem« die Vereinigten Staaten von Amerika loyal angehören. Außerhalb der militärischen und politischen Hexenstruktur gibt es in der übrigen Gesellschaft aber auch immer wieder sexistische Verhaltensweisen, denen die taffen jungen Hexen-Kadettinnen harsch entgegentreten.

»Motherland Fort Salem« macht aus dem reaktionären Genre der Militär- und Kadetten-Geschichten eine ziemlich flott erzählte popfeministische Adaption. Nur stellt sich die Frage, mit diesem Genres überhaupt ein emanzipatorisches oder empowerndes Narrativ gestrickt werden kann. Der Kampf gegen die an frühneuzeitliche Hexenjäger erinnernde Camarilla, der den Handlungsrahmen der zweiten Staffel bestimmt, inszeniert die in der Fantasy derzeit so oft bemühte Auseinandersetzung gegen autoritäre Kräfte, die nicht selten als Allegorie auf die Neue Rechte zu verstehen ist. Denn die Camarilla hat als politische Bewegung nicht nur den Kampf gegen Magie, sondern auch ihren Einsatz für die vermeintlich verloren gegangen Rechte der Männer auf der Agenda und setzt ihren Kampf gegen die Hexen als brutalen Femizid um. Eine recht deutlich Allegorie auf aktuelle antifeministische politische Bewegungen.

Aber auch als gut erzähltes Fantasy-Opus hat »Motherland Fort Salem« ein komplexes World-Building zu bieten. Diese Serie läuft der auf der Konkurrenzplattform Netflix ausgestrahlten, ebenfalls in einem magischen College angesiedelten und motivisch fast identischen »Winx-Saga« eindeutig den Rang ab. Die Mischung aus feministisch angeeignetem Harry Potter-Drama, ein wenig Horror, viel Zauberkräften, ein bisschen Uniformfetisch und reichlich, aber nicht nur queerer Romantik endet mit einem Cliffhanger und soll laut produzierendem US-Kabelsender »Free-form« seine Auflösung kommendes Jahr in einer dritten und - so zumindest bisher angekündigt - letzten Staffel finden.

»Motherland Fort Salem«, Staffel 2 auf Amazon Prime.

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