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Nebelkerzen in der Klimadebatte
Die Diskussion um die Pendlerpauschale ist eine Scheindebatte, mit denen das Publikum beschäftigt werden soll, um nicht die wirklich wichtigen Fragen zur Klimakrise zu stellen, meint Wolfgang Pomrehn
Ein Kennzeichen der Klimadiskussion ist seit Jahren, dass sie von allerlei Scheindebatte vernebelt wird. Angezettelt wird diese besonders von selbsternannten Profis und Lobbyvereinen der Industrie wie etwa der von der Metallindustrie finanzierten »Initiative Soziale Marktwirtschaft«, die vor knapp zehn Jahren mit ihrer Strompreiskampagne sehr erfolgreich den Solarausbau und einige zehntausend Arbeitsplätze in Handwerk und Industrie gekillt hat. Energiepreise sind ohnehin ein beliebtes Aufregerthema – und das zum Teil zu recht. Wer wenig verdient, nur eine mickrige Rente hat oder von Hatz IV leben muss, der hat es mitunter schwer, seine Stromrechnung oder die Heizkosten zu bezahlen. Insbesondere, wenn er zur Miete wohnt und der Vermieter kein Interesse an vernünftiger Wärmedämmung hat oder die Warmwasserversorgung über Durchlauferhitzer funktioniert. Die fressen nämlich reichlich Strom – und der ist teuer.
Derzeit ist die Pendlerpauschale ein Thema in den Koalitionsgesprächen zwischen SPD, FDP und Grünen. Letztere haben bereits klargestellt, die Pauschale nicht infrage zu stellen. Dieser Vorgang ist ein mustergültiges Beispiel für die Scheindebatten, mit denen das Publikum beschäftigt werden soll, um nicht die wirklich wichtigen Fragen zu stellen. Eine Nebelkerze ist die Debatte vor allem deshalb, weil sich hartnäckig das Gerücht hält, es ginge dabei um die soziale Frage. Sprich: Die Pendlerpauschale zu kürzen oder zu streichen, würde vor allem die unteren Einkommen hart treffen.
Doch der Reihe nach: Es fing damit an, dass das Umweltbundesamt (UBA) auf die gewaltigen Subventionen hinwies, mit denen immer noch der Verbrauch fossiler Energieträger in Deutschland gefördert wird. Ganz so, als hätte noch nie jemand davon gehört, dass die bei der Verbrennung von Kohle, Erdgas, Benzin und Diesel freigesetzten Treibhausgase auf dem besten Wege sind, uns und vor allem der Generation unser Enkel das Leben auf Erden zur Hölle zu machen. Auf rund 65 Milliarden Euro beläuft sich laut einer UBA-Studie die jährliche Unterstützung der umweltschädlichen Energieträger durch den Fiskus. Zu diesen Subventionen wird auch die Pendlerpauschale gezählt. Steuereinnahmen in Höhe von sechs Milliarden Euro entgingen dem Fiskus 2018, weil Berufspendlerinnen und -pendler einen Pauschalbetrag für ihren Arbeitsweg von ihrer Steuerschuld abgezogen bekommen, schreibt das UBA. Für die ersten 20 Kilometer sind es derzeit 30, danach 35 Cent pro Kilometer.
Hört man sich nun die Aufregung an, die derzeit wegen dieser Pendlerpauschale herrscht, könnte man meinen, die ganze Republik fahre allmorgendlich mindestens 50 Kilometer mit dem eigenen Pkw zur Arbeit und am Abend wieder zurück. Die Zahlen des statistischen Bundesamtes sagen allerdings etwas anderes. Demnach wohnen nicht einmal 25 Prozent aller Erwerbstätigen weiter als 25 Kilometer von ihrem Arbeitsplatz entfernt. Fast die Hälfte muss für die einfache Strecke nicht einmal zehn Kilometer zurück legen.
Bei zehn Kilometern Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsplatz können jährlich etwa 600 Euro von der Steuer abgesetzt werden, übrigens unabhängig vom gewählten Verkehrsmitteln. Das sind Beträge, die durchaus noch für niedrige Einkommen eine Erleichterung sein können, denn die Besteuerungsgrenze liegt bekanntlich viel zu niedrig und müsste dringend angehoben werden.
Doch gerade von derlei Dingen soll das hartnäckige Pochen auf die Pendlerpauschale ablenken. Denn es gibt auch rund fünf Prozent der Erwerbstätigen, die 50 Kilometer oder mehr zur Arbeit fahren müssen. Die können bis zu 4500 Euro jährlich von der Steuer absetzen. Davon können aber meist nur die besser Verdienenden profitieren. Dennoch mag es sein, dass ein Wegfall der Pauschale für den einen oder anderen Fernpendler wirklich eine Belastung wäre. Deshalb hatte das UBA mehrfach betont, dass das Streichen dieser Subvention mit einer Härtefallregelung sowie mit einem massiven Ausbau des ÖPNV »gerade auch auf dem Land« verbunden sein muss. Doch für derlei differenzierte Töne gibt es in der Kakophonie der Nebelkerzenwerfer kein Gehör.
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