- Kommentare
- Corona in Berlin
Ein Déjà-vu vom letzten Herbst
Die aktuelle pandemische Lage tritt nicht zum ersten Mal ein
Wie wäre es, wenn statt über das Wetter zu klagen, nur für wenige Tage im November einmal die Lage auf den Intensivstationen und die steigenden Inzidenzen in allen Bevölkerungsgruppen zu einem Themenschwerpunkt jedweden Small Talks wäre? Würde man dann nicht ganz schnell feststellen, dass die Entwicklung, vor der nun wieder gewarnt wird, schon einmal zu beobachten war, nämlich exakt vor einem Jahr? Als der »Lockdown Light« am 2. November 2020 in Kraft trat, waren die Ansteckungszahlen ähnlich hoch, die Intensivbetten deutlich stärker belastet, getestet werden konnte nur ein Bruchteil der Bevölkerung und eine Impfmöglichkeit gab es noch nicht. Monatelang hieß es: wenn es erst ein Testregime gibt und dann noch die Impfungen, wäre spätestens im September 2021 alles wieder in Butter im Land.
Ein Jahr später sind die meisten Impfzentren geschlossen und die Möglichkeiten kostenloser Tests für alle wieder abgeschafft, die Maskenpflicht ist vorsorglich auch in Bereichen aufgehoben, wo das Virus besonders zirkuliert und die Impfkampagne ist sang- und klanglos zu Grabe getragen worden. Eine »epidemische Lage« soll es nicht mehr geben. Immerhin steigt die Impfnachfrage wieder.
Nicht einmal 70 Prozent der Berliner*innen sind erstgeimpft. Pflegekräften ist viel versprochen worden, vor dem Hintergrund ihrer Erschöpfung mussten sie mit einem heftigen Arbeitskampf an den landeseigenen Kliniken für Verbesserungen streiken. 90 Prozent der Menschen, die derzeit im Covid-Bereich der Intensivstationen der Berliner Charité liegen und beatmet werden, sind nicht gegen Corona geimpft. Zugleich sind dort Betten belegt, die weiteren schwer Erkrankten im Notfall nicht zur Verfügung stehen.
Man kann die von Verantwortlichen geäußerte Sorge über die Entwicklungen, an denen sie Mitschuld sind, kaum ernst nehmen. Nun darf man gespannt sein, welche Rolle rückwärts zuerst vollzogen wird. Wahrscheinlich wird sie nicht Maßnahme heißen. Aber eines ist sicher: es wird ein Déjà-vu sein vom letzten Herbst.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.