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  • Berlin
  • Ehrenamtlich gegen Klimanotstand

Einer der letzten grünen Orte

Im Samariterkiez in Berlin-Friedrichshain organisieren Ehrenamtliche eine nachhaltige Nachbarschaft

  • Lola Zeller
  • Lesedauer: 4 Min.
Zwei Ehrenamtliche von Green Kiez bei der Arbeit.
Zwei Ehrenamtliche von Green Kiez bei der Arbeit.

Vor der Samariterkirche in Friedrichshain sind zwei große Beete. Noch wächst dort nicht allzu viel, aber das wird sich schnell ändern. Sie werden von der Initiative Green Kiez bepflanzt, um Räume für Insekten zu schaffen und die Nachbarschaft nachhaltiger zu gestalten. Doch das ist längst nicht alles: Der gesamte Mittelstreifen der Bänschstraße, welcher sich zu beiden Seiten der Samariterkirche jeweils etwa 300 Meter weit erstreckt, wird seit Kurzem ebenfalls von Green Kiez gepflegt.

»Vor ein paar Wochen haben wir endlich die Förderung vom Umwelt- und Naturschutzamt erhalten, unsere Materialkosten werden jetzt übernommen und wir können richtig mit der Arbeit loslegen«, sagt Annie Grossjohann. Sie hat die Nachbarschaftsinitiative im Samariterkiez Anfang 2019 gegründet, um etwas gegen den Klimanotstand und das Insektensterben zu unternehmen.

»Hier ist einer der letzten grünen Orte im Kiez. Es wurde so viel verdichtet, dass kaum noch etwas übrig ist«, sagt Grossjohann beim Laubharken in der Bänschpromenade. Deshalb ist es ihr und Mitstreiterin Maike Specht so wichtig, dass die Grünflächen ökologisch nachhaltig genutzt werden. »Früher wurde hier einmal im Jahr alles abgemäht, was kein Baum ist«, erzählt Specht. Nun sind die Flächen in verschiedene Beete aufgeteilt. Teils sind sie gerade erst mit allerlei sorgfältig recherchierten heimischen Wildpflanzen bestückt worden, teils werden einfach die Pflanzen am Leben gelassen, die von sich aus wachsen. Zum Beispiel die Brennnesseln, die an einer Stelle in großer Anzahl neben dem Gehweg emporragen. »Die Brennnesseln werden von 40 Schmetterlingsarten genutzt«, sagt Grossjohann. Deshalb sollen sie dort wachsen, wo sie sind.

Das gefällt nicht allen in der Nachbarschaft auf Anhieb. Eine Person sei mal auf sie zugekommen, weil die Grünflächen so verwildert und unschön aussehen würden. Nach einer ausgiebigen Begehung mit Erklärungen zu allen dort wachsenden Pflanzen sei sie aber von der Arbeit der Initiative überzeugt worden. »Jetzt ist sie mit Feuer und Flamme bei uns mit dabei«, sagt Grossjohann.

Für ihren Einsatz in der Nachbarschaft wird Green Kiez mit dem Deutschen Nachbarschaftspreis als Landessiegerprojekt in Berlin ausgezeichnet. »Das Projekt ist eine überzeugende, kleine Nachbarschaftsinitiative. Es ist niedrigschwellig und einfach nachzuahmen und versucht, ein gesellschaftliches Problem in der eigenen Nachbarschaft zu lösen«, sagt Laura Schneberger für die Stiftung nebenan.de, die den Preis verleiht. »Es ist schön, dass unsere Arbeit gesehen und gewürdigt wird«, sagt Grossjohann.

Und das ist einiges, was die Initiative im Kiez leistet. Nicht nur die 600 Meter Grünstreifen und die vier Beete um die Samariterkirche wollen regelmäßig gepflegt werden. Green Kiez betreibt auch das Projekt »Gieß den Kiez«, in dessen Rahmen im Sommer 15 Tonnen mit je 300 Liter Wasser befüllt werden, um es den passierenden Nachbar*innen so einfach wie möglich zu machen, das verbliebene Grün im immer enger werdenden Kiez und den heißer werdenden Sommern zu erhalten. Außerdem will die Initiative stärker mit den Kitas und Schulen im Kiez zusammenarbeiten. »Wir planen einen Lehrpfad in der Bänschstraße. Es ist total wichtig, den Kindern zu zeigen, warum wir hier Pflanzen und Insekten brauchen«, sagt Annie Grossjohann.

Die viele Arbeit, die in Green Kiez steckt, ist schwierig mit dem Kern von sechs bis zehn Ehrenamtlichen zu stemmen. »Eigentlich ist das hier ein Vollzeitjob«, sagt Specht. Dominik Krejsa teilt auf »nd«-Anfrage für das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg mit, dass Green Kiez die komplette Grünpflege der Grünanlage Bänschpromenade »ehrenamtlich und in enger Absprache mit dem Bezirk« übernehme. »Es wäre schon schön, für unsere Arbeitszeit bezahlt zu werden. Vielleicht könnte man eine Kiez-Ranger-Stelle schaffen«, sagt Grossjohann. Green Kiez schließe sich deshalb auch den Forderungen von Grüne Höfe Berlin an, eine verbindliche Verpflichtung der öffentlichen Hand und städtischen Wohnungsbaugesellschaften zur nachhaltigen und ökologischen Pflege der Berliner Grünflächen in den Koalitionsvertrag mit aufzunehmen.

Den Nachbarschaftspreis widmet die Initiative unterdessen dem Kiezbüro im Samariterkiez, denn dieses stehe durch das nahestehende Ende der Förderung vor dem Aus. »Ohne das Kiezbüro hätten wir Green Kiez nicht aufbauen können«, sagt Grossjohann.

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