Ärzt*innen lassen Schwangere sterben

Polens striktes Abtreibungsgesetz fordert erstes Todesopfer

  • Julia Trippo
  • Lesedauer: 2 Min.

Pszczyna, Südpolen: Der Fötus einer Schwangeren wird sterben. Doch anstatt ihn aus dem Mutterleib zu entfernen, um die Gesundheit der Frau nicht zu gefährden, warten die Ärtz*innen lieber. Und so stirbt auch die 30-Jährige an einem septischen Schock.

Die polnische Anwältin Jolanta Budzowska, die auf medizinisches Fehlverhalten spezialisiert ist, hatte am vergangenen Freitag über die sozialen Medien auf den tragischen Fall aufmerksam gemacht. Gemeinsam mit der Familie der Verstorbenen veröffentlichte sie am Montag ein weiteres Statement. Demnach habe die Schwangere ihrer Familie aus dem Krankenhaus heraus mitgeteilt, dass die Ärzt*innen eine »abwartende Haltung« einnahmen und ihre Schwangerschaft aufgrund der Beschränkungen für legale Abtreibungen nicht sofort abbrachen. Zuvor traten Probleme mit dem Fruchtwasser auf, die Frau war in der 22. Schwangerschaftswoche. Mit einem Schwangerschaftsabbruch hätte ihr Leben gerettet werden können, doch die Ärzt*innen trauten sich nicht.

Das ursprüngliche Abtreibungsrecht, das Schwangerschaftsabbrüche in Polen verbietet, stammt aus dem Jahr 1993. Abtreibungen waren dennoch erlaubt, wenn die Schwangerschaft aus einer Vergewaltigung resultierte, die Gesundheit der Schwangeren in Gefahr war oder eine schwere Schädigung des Fötus vorlag. Doch letzteres wurde mit der Gesetzesnovelle im vergangenen Jahr gekippt. Sprich: Kinder, die keine Chance auf Überleben haben, müssen von der Schwangeren dennoch ausgetragen werden.

Eine Zugangshürde mehr: Der Importstopp des Medikaments Cytotec könnte folgenreiche Konsequenzen für den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen haben

Theoretisch hätte die Schwangerschaft der verstorbenen Polin also legal beendet werden können, da ihr Leben in Gefahr war. Doch seit dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes vom 20. Oktober 2020 neigen Ärzt*innen in Polen dazu, die Gesetze noch strenger auszulegen – aus Sorge vor Sanktionen, kritisieren Feminist*innen. Bei illegalen Abtreibungen drohen Ärzt*innen Gefängnisstrafen von drei Jahren. Der Leiter des Krankenhauses bat gegenüber »TVN24« darum, keine voreiligen Urteile zu fällen. Die Staatsanwaltschaft untersuche den Tod der jungen Frau derzeit.

Am Montag versammelten sich hunderte Menschen vor dem Verfassungsgericht in Warschau und zündeten Kerzen an, um der Verstorbenen zu gedenken und gegen die Einschränkungen der reproduktiven Rechte zu protestieren. Auch in anderen polnischen Städten gingen Menschen auf die Straße. Polnische Frauenrechtsorganisationen hatten landesweit zu Protestkundgebungen aufgerufen unter der Parole »Nicht auch nur eine mehr!« Die Protestierenden kündigten an, weiterhin für reproduktive Rechte in Polen zu kämpfen. Die verstorbene Frau hinterlässt eine Tochter und einen Ehemann.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.