Nicht mit, sondern über Faschisten auf der Buchmesse reden

Die Messe in Frankfurt ist ein Ort, um sich mit Faschismus zu beschäftigen – aber nicht so, wie es in diesem Jahr passiert ist, meint Natascha Strobl.

  • Natascha Strobl
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist viel zur Frankfurter Buchmesse und dem Umgang mit Faschisten, die dort ausgestellten, gesagt worden. Leider wurden dabei immer wieder Themen und Ebenen vermischt. Die erste Ebene ist die der persönlichen Sicherheit. Jasmina Kuhnke hat ihren Auftritt, bei dem sie ihren Roman »Schwarzes Herz« präsentieren wollte, bei der Messe abgesagt, weil sie sich nicht sicher fühlte. Nicht in unmittelbarer Nähe von Faschisten auftreten zu wollen, hat nichts mit übertriebener Sensibilität zu tun, sondern mit persönlicher Erfahrung. Es lässt sich leicht reden, dass man sich nicht so haben soll, wenn man keine Ahnung davon hat, was Drohungen durch Faschisten und Nazis bedeuten. Das ist kein böser Netzkommentar, sondern eine unvorstellbare Hasswelle, die ins Allerpersönlichste dringt. Es ist legitim, sich dem zu entziehen, und es ist legitim, das öffentlich zu machen.

Damit kommen wir zu Ebene zwei: Gibt es eine Möglichkeit der Konfrontation, die zu einer Veränderung der Situation führt oder eine Form der Einsicht bringt, die bislang nicht gegeben war? Dazu muss die Frage gestellt werden, was man eigentlich klären will. Die persönliche Bedrohung? Eine lachhafte Vorstellung, dass die Betroffene einer Hasskampagne mit Faschisten über genau diese diskutieren soll. Was sollte sie hier sagen?

Natascha Strobl
Natascha Strobl ist Politikwissenschaftlerin und Autorin aus Wien. Auf Twitter schreibt sie Ad Hoc-Analysen zu rechtsextremer Sprache und faschistischen Ideologien, für »nd« schreibt sie die monatliche Kolumne »Rechte Umtriebe«. Darin widmet sie sich der Neuen und Alten Rechten und allem, was sich rechts der sogenannten Mitte rumtreibt. Alle Texte auf dasnd.de/umtriebe.

Diese beiden Ebenen auf diese Art und Weise zusammen bringen zu wollen, ist ein grobes Missverständnis. Es entspringt einem sehr allgemeinem Wunsch, es Faschisten intellektuell jetzt einmal wirklich zu zeigen. Das bessere Argument, die schärfere Replik und die genaueren Fakten entzaubern Faschisten, die damit für alle Zeit ihre Legitimation verlieren und nur noch aufhören können, Faschisten zu sein, denn sie haben ja ganz objektiv die intellektuelle Auseinandersetzung verloren. Welch Schmach!

Hier scheint ein grundsätzliches Unverständnis für das Wesen, die Ideologie und die Strategie des (Neo-)Faschismus vorzuliegen. Faschisten wollen nicht mitspielen und nach den selben Regeln in der diskursiven Arena parlieren. Faschismus ist keine demokratische Ansicht wie jede andere. Faschismus hat einen absoluten Machtanspruch und eine Ideologie und Praxis des Ausschlusses nach völkischen Kriterien. Wenn du nicht dazu gehörst, gehörst du nicht dazu. Raus heißt in diesem Fall diskriminiert, entrechtet, verfolgt, ermordet und vernichtet. Das ist Faschismus. Deswegen ist die oberste demokratische Pflicht, Faschisten von jedem Element formeller und informeller Macht fernzuhalten, sie nicht zu legitimieren und ihnen keinen Raum zu geben. Diese Haltung nennt sich Antifaschismus.

Nun gibt es den Einwand, dass es einen sehr lapidaren Umgang mit dem Begriff Faschismus gibt. Das ist nicht unwahr, auch weil Faschisten selbst gezielt damit arbeiten, alles mögliche als Faschismus zu bezeichnen (wie die Forderung, in der Pandemie eine Maske zu tragen). So werden Begriffe entleert. Die entsprechenden ausstellenden Verlage der Messe sind auch in der allerengsten Definition faschistische Verlage. Sie verheimlichen es nicht – ein Blick ins Verlagsprogramm reicht hier aus: das Who is Who des französischen Nachkriegsfaschismus oder Franco-Nostalgie machen das sehr deutlich.

Was genau möchte man mit solchen Leuten ausdiskutieren? Der Wunsch, diese Personen in einen demokratischen Diskurs zu rücken, sagt mehr über jene aus, die mit Faschisten diskutieren möchten, als über die Faschisten, die keinen Hehl aus ihren Ansichten machen. Es ist Angstlust, mit der Faschismus ein ums andere Mal eine große Bühne geboten wird. Und es ist Narzissmus, der einen glauben lässt, dass nur der eigene scharfe Verstand Faschismus im direkten Duell platt machen kann. Diese Befindlichkeiten sind für echte antifaschistische Praxis mehr als hinderlich.

All das heißt im Übrigen nicht, dass man Faschisten ignorieren soll. Wann hat es historisch je geholfen, Faschisten zu ignorieren? Im Gegenteil gibt es vielfältige und unterschiedliche Blickwinkel, mit denen über Faschismus geredet werden kann, ja sogar muss. Eine Buchmesse wäre hierfür eine hervorragende Bühne.

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