Fed leitet die geldpolitische Wende ein

US-Notenbank beschließt schrittweises Auslaufen ihres milliardenschweren Corona-Anleihenkaufprogramms

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 4 Min.

An den Börsen herrschte am Donnerstag Partystimmung. Der Deutsche Aktienindex (Dax) kletterte gleich zu Handelsbeginn auf ein Allzeithoch von 16 050 Zählern. Auch der japanische Nikkei-Index stieg um 0,9 Prozent auf 29 794 Punkte. Bereits am Mittwoch hatte der New Yorker Dow Jones seinen Handelstag mit über 36 000 Punkten abgeschlossen. Der Grund für die gute Stimmung beim Börsenkapital: die jüngste Entscheidung der US-Notenbank Fed.

Am späten Mittwoch gab der Offenmarktausschuss der Fed, das Entscheidungsgremium der wichtigsten Notenbank der Welt, bekannt, dass es sein im Rahmen der Corona-Pandemie aufgelegtes Anleihenkaufprogramm schrittweise beenden will. Damit läutet die Fed wie erwartet die geldpolitische Wende ein. Gründe sind die wirtschaftliche Erholung und die zunehmende Inflation in den Vereinigten Staaten. »Mit Fortschritten bei Impfungen und starker politischer Unterstützung haben sich die Indikatoren für Wirtschaftstätigkeit und Beschäftigung weiter verbessert«, teilte die Fed mit. Gleichzeitig hätten »Angebots- und Nachfrageungleichgewichte im Zusammenhang« mit der Pandemie und der Wiedereröffnung der Wirtschaft in einigen Sektoren zu erheblichen Preiserhöhungen beigetragen.

Im März 2020, am Beginn der Pandemie, senkte die Fed den Leitzins, mit dem sich die Banken bei ihr Geld leihen können, auf 0 bis 0,25 Prozent. Gleichzeitig beschloss die US-Notenbank, monatlich Anleihen im Wert von 120 Milliarden US-Dollar zu kaufen, um die Wirtschaft in der Pandemie zu stützen. Dieses Programm will die Fed nun ab Mitte November um monatlich 15 Milliarden US-Dollar reduzieren, wie sie am Mittwoch mitteilte. Damit würden die Anleihenkäufe im Juni enden.

Die Fed leitet die geldpolitische Wende damit schneller ein als die Europäische Zentralbank (EZB). Es sei sehr unwahrscheinlich, dass die Bedingungen für eine Anhebung im kommenden Jahr erfüllt seien, erteilte EZB-Präsidentin Christine Lagarde am Mittwoch in Lissabon Spekulationen über eine baldige Leitzinserhöhung in der Eurozone eine Absage. Trotz der derzeit erhöhten Inflation sei der mittelfristige Inflationsausblick gedämpft.

Im Unterschied zur EZB muss die Fed nicht nur auf die Inflationsrate schauen. Neben der Preisstabilität soll sie sich auch um die wirtschaftliche Entwicklung kümmern und kann damit auch offiziell konjunkturell eingreifen, was der EZB verwehrt wird.

Dass die Fed nun schneller ihr Corona-Programm reduziert als die EZB, ist für Ökonom*innen nicht verwunderlich. »Die konjunkturelle Erholung der USA ist weiter fortgeschritten, außerdem ist die Fiskalpolitik noch expansiver als in Europa«, erklärt Friedrich Heinemann vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. So ist die Arbeitslosenrate in den USA von ihrem Höchststand im April 2020 von 14,7 Prozent auf zuletzt 4,8 Prozent im September dieses Jahres gesunken. Für das Gesamtjahr rechnet der Internationale Währungsfonds (IWF) mit einem Wirtschaftswachstum von sechs Prozent in den Vereinigten Staaten. Zum Vergleich: Für die Eurozone prognostiziert der IWF fünf Prozent.

Gleichzeitig ist auch die Inflation in den USA höher als in der Eurozone. In den Vereinigten Staaten lag sie zuletzt bei 5,4 Prozent, in der Eurozone waren es 4,1 Prozent. Auch wenn sowohl die Fed als auch die EZB verlautbaren, dass die Teuerungsrate nur vorübergehend so hoch sei, hat die Fed wegen der höheren Rate doch einen höheren Druck, sich von einer lockeren Geldpolitik abzuwenden, weil diese tendenziell preissteigernd wirkt.

Doch so ganz traut die Fed der wirtschaftlichen Entwicklung noch nicht. »Wir glauben nicht, dass es an der Zeit ist, die Zinsen anzuheben«, sagte Fed-Chef Jerome Powell nach den geldpolitischen Beschlüssen bei einer Pressekonferenz. So wird der Leitzins auch in den Vereinigten Staaten vorerst bei nahe null gelassen. Zudem behält sich die US-Notenbank vor, notfalls wieder mehr Geld in die Wirtschaft zu pumpen. »Der Ausschuss wäre bereit, den geldpolitischen Kurs gegebenenfalls anzupassen, wenn Risiken auftauchen, die die Erreichung der Ziele behindern könnten«, heißt es in der Erklärung des Offenmarktausschusses. Bei seinen Bewertungen der wirtschaftlichen Lage berücksichtige das Gremium ein »breites Spektrum an Informationen«.

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