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Bildet Zeitungsbanden
Mit Mut und als Genossenschaft haben linke Zeitungen eine Chance
Genossenschaften sind eine gute Sache - in jeder Branche. In der seit den frühen 2000er Jahren andauernden Krise des Zeitungsmarkts haben sie jedoch eine besondere Funktion: Sie können nicht nur nach innen demokratisierend wirken, sondern tragen auch dazu bei, eine Medienkonzentration zu verhindern und eine kritische Gegenöffentlichkeit zu erhalten, die durch die Printkrise stark bedroht ist.
Die Zeitungskrise hat viele Ursachen
Mit dem Internet bleiben Abonnenten und Abonnentinnen aus; statt der Zeitung konsumieren sie Nachrichten stattdessen kostenlos online. Noch schwerer wiegen jedoch sinkende Werbeeinnahmen und ein schwindender Anzeigenmarkt im Printjournalismus. Bis Anfang der 2000er wurden fast 67 Prozent der Verlagseinnahmen mit Werbung erzielt. Im Jahr 2020 waren es nur noch 26 Prozent. Der Ursprung der wirtschaftlichen Einsparungen liegt in gekürzten Marketingbudgets, resultierend aus der Finanzkrise 2008 und weiter verschärft im Corona-Jahr 2020. Davon besonders hart betroffen sind bundesweit erscheinende Tageszeitungen. Während in Regionalzeitungen noch für ansässige Firmen geworben wird und das Annoncengeschäft für Autos, Partnersuche und Trödel nicht völlig eingebrochen ist, werden in den überregional erscheinenden Zeitungen kaum noch Anzeigen und Werbung geschaltet. Wegen der heterogenen Leserschaft, die durch unterschiedliche Wohnorte, Einkommen und Interessen nur schwer und damit teuer adressiert werden kann, ist auch in Zukunft nicht damit zu rechnen, dass hier wieder mehr Einnahmen sprudeln. Die Anzeigenbudgets laufen inzwischen zu großen Teilen in Online-Marketing Maßnahmen.
Als Folge der wegbrechenden Einnahmen mussten die Verlage mit Preiserhöhungen für Zeitungen und Abonnements reagieren, die weitere Leser und Leserinnen kosteten. Letztendlich stieg der ökonomische Druck auch durch angestiegene Zustellkosten. Das alles hat Folgen: Im Jahr 2020 sind 14,1 Millionen verkaufte Zeitungen pro Jahr übrig, 1995 waren es mit 30,2 Millionen fast doppelt so viele.
Mächtige Verlage als Resultat
Das Resultat der fast 20 Jahre andauernden ökonomischen Krise sind Fusionen und Übernahmen durch große Verlage. Dabei werden ganze Redaktionen zusammengelegt und Belegschaften mitunter so weit reduziert, dass die verbliebenen Mitarbeiter:innen vor allem mit Agenturmeldungen arbeiten, anstatt gründlich zu recherchieren.
Die Vereinheitlichung redaktioneller Leistungen, z. B. durch Einrichtung von Zentralredaktionen, soll die Stückkosten weiter senken. Es produzieren also immer weniger Journalist*innen bei immer weniger Verlagen Inhalte. Damit drohen qualitative Einbußen und Rückgang gedanklicher Vielfalt. Anderslautende Meinungen werden kaum oder gar nicht repräsentiert. Die Erhöhung der Arbeitslast der Medienschaffenden in kleineren Redaktionen hat gleichzeitig eine Homogenisierung journalistischer Arbeitsweisen, Normen und Inhalte zur Folge.
Neben fehlender Inhaltsvielfalt wird so auch qualitativ schlechter Journalismus zu einem Problem
Medienmonopolisten können entscheiden, welche politischen Anliegen überhaupt in die Medienagenda aufgenommen werden und bestimmen so die Inhalte mit. Im Fall der Recherchen über den ehemaligen Chef der Bildzeitung Julian Reichelt, die durch den Beschluss des Altverlegers Dirk Ippen unter Verschluss bleiben, wurde die verlegerische Einflussnahme erst vor kurzem in das Licht der Öffentlichkeit gerückt. Aber auch fehlende Sichtweisen stellen für den Journalismus ein Problem dar. Ein Beispiel für fehlende Perspektiven hat eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung anschaulich beschrieben: Fast alle Regionalzeitungen, die im Osten erscheinen, sind im Besitz westdeutscher Medienunternehmen. Inzwischen hat die Eigentumskonzentration im Medienbereich ein nie dagewesenes Ausmaß erreicht. 61,6 Prozent der verkauften Gesamtauflage der Tageszeitungen werden mittlerweile von den zehn größten Verlagsgruppen verlegt, ganz vorne dabei Springer.
Der dadurch entstehende Mangel an Pressefreiheit kann der Demokratie massiven Schaden hinzufügen. Aus diesem Grund gibt es in vielen Ländern besondere Institutionen, um die Konzentration in der Medienbranche zu regulieren. Schweden zum Beispiel vergibt Gelder über einen Medienförderrat an Zeitungen, Online-Medien, Podcasts und Web-Fernsehen – solange diese Qualitätsjournalismus machen, der pluralistisch ist und auf demokratischen Prinzipien beruht. In Frankreich werden defizitäre Zeitungen gezielt gefördert und mit Steuererleichterungen vor allem Zeitungen mit geringem Anzeigenvolumen unterstützt. Abgesehen von einer indirekten Presseförderung in Form eines reduzierten Mehrwertsteuersatzes schaut die Politik in Deutschland zu. Betrachtet man die Deregulierungsmaßnahmen im Medienbereich, lässt sich sogar von einer staatlichen Förderung der Konzentration sprechen.
Nicht vom Kapitalismus verschlingen lassen
Die Realität ist, dass wohl auch in den kommenden Jahren weitere Zeitungen verschwinden oder fusionieren werden. Titel werden eingestellt, Redaktionen nicht mehr berichten und Themen nicht bearbeitet. Übrig bleibt eine Presse, die dem angepassten Massengeschmack entspricht, sowohl in kultureller als auch politischer Weise und im Zweifel im Interesse der Verlagseigentümer berichtet. Dieser Entwicklung zum Opfer fallen nicht zuletzt Zeitungen, die eine Gegenöffentlichkeit bilden und abseits des Mainstreams berichten.
Eine Genossenschaft kann sich diesem gesellschaftlichen Trend nicht entgegenstellen, aber sie kann helfen, nicht verschlungen zu werden. Für diesen Weg entschieden sich auch die Mitarbeitenden des »nd« und gründeten im August dieses Jahres die »nd«-Genossenschaft, um die Zeitung ab dem 1. Januar 2022 gemeinschaftlich herauszugeben. Nach erfolgreicher Prüfung durch den Genossenschaftsprüfverband sind dann die Mitglieder, bestehend aus Solidarischen, Leser*innen und Mitarbeitenden die Eigentümer*innen des »nd« und verpflichten sich, die Zeitung durch einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern. Es ist kein Zufall, dass das »nd« neben der »taz« und der »Jungen Welt« als dritte sich als links verstehende Zeitung die Rechtsform einer Genossenschaft gewählt hat. Neben dem Sitz in Berlin und der Ausrichtung haben sie eines gemeinsam: eine treue Leser*innenschaft, der eine Gegenöffentlichkeit wichtig ist, um über Themen, Probleme oder soziale Gruppen, die sonst untergehen, zu berichten.
Hier erweist sich das Genossenschaftsmodell als gute Lösung und gerade in Krisenzeiten als tragfähig. Die Rechtsform der Genossenschaft gibt der Zeitung durch Eigenkapital und Gesellschaftermittel die Möglichkeit, sich in Zeiten eines Umbruchs in der Presselandschaft auf sichere Beine zu stellen. Unternehmen mit der Rechtsform der Genossenschaft weisen statistisch die mit Abstand höchste Eigenmittel- und gleichzeitig die geringste Insolvenzquote auf.
Trotz einer solidarischen Gemeinschaft hilft am Ende nur ein robustes und zukunftsfähiges multimediales Geschäftsmodell, das gute digitale Angebote macht und eine Generation abholt, die zwar, wenn Zeit dafür da ist, noch zur Papierzeitung greift, sich sonst aber vor allem online informiert. Um in Zukunft durch einen Medienmix wieder zu Einnahmen zu kommen, braucht es einen Umbruch. Eine gelungener Medienwandel, den Zeitungen durchlaufen müssen, ist weit mehr als ein Informationstransfer von der Zeitung ins Internet. Es braucht Investitionen, damit Zeitungen diesen Wandel schaffen, denn jede technische Neuerung im Nachrichtensektor ist mit Kosten verbunden. Eine Genossenschaft bestehend aus Lesern, Leserinnen und Mitarbeitenden gibt durch Eigenkapital und Gesellschaftermittel einer Zeitung die Möglichkeit, diese nötigen Investitionen zu tätigen und sie auch gegen große Verlage konkurrenzfähig zu machen. Hier tragen viele Schultern, was getragen werden muss.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
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