Exklusiver Zugang zu COP 26

Mangelnde Beteiligung von indigenen Delegierten bei den UN-Klimakonferenzen

  • Clara S. Thompson
  • Lesedauer: 3 Min.

Die ganze Welt blickt gerade gebannt zur Klimakonferenz COP 26 nach Glasgow. Die Frage, die wohl die meisten Journalist*innen, Delegierten und Politiker*innen beschäftigt, ist: Wird es die Konferenz schaffen, einen großen Schritt Richtung Klimaschutz zu gehen oder wird sie scheitern?

Für mich ist das die falsche Frage, denn die Antwort ist sowieso klar. Dass die Länder dieser Welt es nicht schaffen werden, gemeinsam auf ein 1,5-Grad-Ziel zu steuern, ist bereits geklärt. Laut einer am Dienstag veröffentlichten Studie steuert die Konferenz die Welt auf eine Erwärmung um 2,4 Grad zu - und das ist nur die konservative Einschätzung. Im Entwurf des Entscheidungstextes der Konferenz wird ein sofortiger Ausstieg aus fossilen Brennstoffen wie Kohle nicht mal erwähnt - obwohl Energieexpert*innen weltweit dazu drängen, ab jetzt keine weiteren Erdöl- und Gasfelder zu erschließen sowie den Bau neuer Kohlekraftwerke zu unterlassen. Und außerdem stellt die größte Delegation auf der UN-Konferenz mit 500 Menschen die fossile Industrie. Die indigene Delegation war halb so groß.

Die viel entscheidendere Frage ist für mich: Wie kann es sein, dass eine Klimakonferenz stattfinden kann, ohne dass die Menschen, die am meisten von den Folgen des Klimawandels betroffen sind, an den Verhandlungen direkt beteiligt sind? Viele, die sich vor Ort gegen die Zerstörung von Natur oder Landraub einsetzen und an der vordersten Front der Klimakrise leben, haben oft nur einen Beobachtungsstatus. Dabei geht es bei diesen Verhandlungen im Endeffekt doch vor allem um die Zukunft dieser Menschen: Es sind vor allem Menschen aus dem Globalen Süden, insbesondere indigene Communitys, die von der Klimakrise am meisten betroffen sind. In den Verhandlungen wird nicht nur über die nötige Reduktion der CO2-Emissionen diskutiert, es werden auch oft vermeintliche Lösungen vorgeschlagen, die aber vor allem Indigene negativ treffen können. So erzählte Rosa Marina Cruz vom Indigenen-Netzwerk Futuros Indígenas, dass ein Megawindparkprojekt ihre Gemeinde in Mexiko gefährdet. Die 2000 Windräder in dieser Anlage produzierten Energie für andere Unternehmen. »Aber wir Indigene bekommen davon nichts ab. Und sind zudem bei den Folgen des Klimawandels auf uns alleine gestellt.«

Indigene werden oft nicht nur von den internationalen Klimaverhandlungen ausgeschlossen, sondern auch von denen in ihren eigenen Ländern. Beispielsweise weigert sich der Präsident von Brasilien, Jair Bolsonaro, die wichtige Rolle indigener Gemeinschaften beim Erhalt der Natur anzuerkennen. Indigene haben Bolsonaro sogar beschuldigt, eine staatliche Politik zu fördern, die die Zerstörung des Amazonas aus Profitgründen begünstigt und indigene Gemeinschaften bedroht. Um effektive und gleichzeitig sozial gerechte Maßnahmen für die Klimakrise zu finden, muss die Klimakonferenz einen Weg finden, diese Menschen künftig in die Verhandlungen einzubinden.

Aber die COP 26 ist auch aus einem anderen Grund exklusiv: Viele konnten aufgrund von Visa-Vorschriften und wegen der Pandemie erst gar nicht anreisen. Dabei waren auch wieder vor allem Menschen aus dem Globalen Süden beeinträchtigt. Und hier angekommen, gab es oftmals keine organisierten oder bezahlbaren Unterkünfte für sie. Deswegen besetzten Aktivist*innen kurzerhand ein Gebäude in der Glasgower Innenstadt. Dort können jetzt einige kostenlos unterkommen.

Einige Indigene, die es zur COP 26 geschafft haben, haben immer wieder darauf hingewiesen, dass das Erbe des Kolonialismus ihnen den Zugang zu der Konferenz erschwert hat. Auf einer künftigen Klimakonferenz darf nicht nur über mögliche Abkommen gesprochen werden, sondern in erster Linie muss auch priorisiert werden, wer an diesen Verhandlungen teilnehmen darf. Das Gleiche gilt für junge Menschen, die am längsten in der Klimakrise leben werden und dennoch genauso wenig in die Verhandlungsräume eingeladen wurden. Solange statt den Betroffenen die fossilen Industrien über unsere Zukunft verhandeln, wird sich auch nichts an den Ergebnissen der Klimakonferenz ändern.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!