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Indigenes Vorbildprojekt für die Wohnraumversorgung
Im kanadischen Vancouver will die Squamish Nation mit einem Hochhausprojekt Wohnraum schaffen - für Indigene und andere
Die Squamish Nation will vieles besser machen, ziemlich viel sogar: Historische Ungerechtigkeiten korrigieren, klimaneutrales Wohnen ermöglichen, Autos fernhalten, eine Parklandschaft in einer Großstadt schaffen und einen großen Beitrag leisten gegen die Wohnungsknappheit in Vancouver. All das verspricht und plant das Senakw-Stadtentwicklungsprojekt des Indigenen-Stamms unmittelbar neben der Innenstadt der Metropole an Kanadas Westküste. Elf Hochhäuser unterschiedlicher Höhe mit 17 bis 59 Stockwerken sieht das drei Milliarden Dollar teure Projekt vor. 6000 Wohneinheiten für 9000 Menschen sollen geschaffen werden - in einer Bebauungsdichte, wie es sie sonst in Nordamerika kaum gibt und man sie nur aus Hongkong kennt.
Die neu entstehenden Wohnungen sollen zu normalen Marktpreisen angeboten werden, vorgesehen sind auch 950 günstige Wohnungen. Im umliegenden Kitsilano-Viertel, dem teuersten Wohnviertel Nordamerikas, sieht das anders aus: Dort stehen Einfamilienhäuser, und die Besitzer haben in den letzten Jahrzehnten ökonomisch von steigenden Immobilienpreisen profitiert, auch wegen der Lage nahe der Innenstadt von Vancouver.
Gegen andere Mehrfamilienhausprojekte machen die Eigenheimbesitzer nicht nur in Vancouver, sondern überall in Nordamerika seit Jahrzehnten mobil, verhinderten diese teilweise über ein Baurecht, das nur Einfamilienhäuser in vielen Nachbarschaften zuließ, in den letzten Jahren auch mit vermeintlicher Besorgnis über eine zu starke Umweltbelastung. Das Ergebnis: Knappheit auf dem Markt, steigende Preise. Doch auf dem 10,5 Morgen (2,6 Hektar) großen Stück Squamish-Land in direkter Innenstadtnähe gilt das kanadische Baurecht nicht, das etwa eine Mindestzahl an Parkplätzen vorschreibt.
Hier können die wohlhabenden weißen Einfamilienhausbesitzer nicht mitreden, weil es Indigenen-Gebiet und Reservat-Land ist, eines der wenigen in urbanen Gebieten. Die Indigenen nutzen dies, es soll kaum Parkplätze geben, stattdessen soll das Gebiet fahrrad- und fußgängerfreundlich sein und an eine Tram-Linie angeschlossen werden. Die Gebäude sollen geschwungene, bepflanzte Balkone haben und mit indigenen Mustern und Kunst verziert sein.
Die Kolonialisierung an Kanadas Westküste erfolgte relativ spät. Auch das Squamisch-Reservat am False Creek wurde erst 1877 gegründet. Vor 150 Jahren war Senakw ein kleines Indigenen-Dorf. Dann entstand um die Fischersiedlung am False Creek das moderne Vancouver. Ab der Jahrhundertwende wurde den Indigenen immer mehr Land aus ihrem Reservat genommen, unter anderem von einer Eisenbahngesellschaft, für ein Holzsägewerk, für den Bau der Burrard-Street-Brücke, für ein Trainingsgelände und ein Waffen- und Ausrüstungsdepot für den Zweiten Weltkrieg. Bis Mitte 1965 wurde das Land des Squamisch-Reservats komplett verkauft. 2003 wurde dem Stamm das Teilstück nach langjährigem Rechtsstreit zugesprochen und soll nun bebaut werden.
87 Prozent der Stammesmitglieder haben sich 2019 in einer Abstimmung für das Projekt ausgesprochen. Baubeginn soll noch 2021 sein. In fünf Jahren könnte das neue Viertel stehen, so die Pläne. In den Hochhäusern sollen dann mehrere Hundert zuvor vertriebene Squamisch-Familien wohnen - über 1000 Stammesmitglieder stehen bereits auf einer Warteliste. Die Einnahmen aus der Vermietung der anderen Wohnungen könnten den Stamm »ökonomisch unabhängig machen«, heißt es auf der Homepage des Projekts. Hunderte Stammesmitglieder sollen auch Arbeit bei Gestaltung, Bau und Betrieb der Häuser erhalten.
Mit der privaten Baufirma Westbank ist vereinbart, dass 50 Prozent der Gewinne aus der Vermietung an den Stamm gehen, 16 bis 29 Milliarden Dollar könnten das für die Lebensdauer der Häuser sein. Damit könnte die Rentenversorgung der Indigenen gesichert sowie kulturelle Projekte gefördert werden - und weitere Bauprojekte. In einer Generation - definiert als 25 Jahre - will der Stamm Wohnraum für alle seine 4000 Mitglieder bereitstellen.
Naturverbundenheit per Park-Anschluss
Das Senakw-Projekt soll auch umweltpolitisch ein Vorreiter sein als das erste kanadische Großbauprojekt, das Emissionsfreiheit anstrebt. Beheizt und gekühlt werden sollen die Hochhäuser mit einem neuen Zehn-Megawatt-Kraftwerk, das überschüssige Wärme des Metrosystems der Stadt nutzt. Bei der Konstruktion der Häuser soll in hohem Maße auf Holz als Baustoff gesetzt werden. Außerdem soll die Abdeckung der Burrard-Brücke genutzt werden.
Nur 15 Prozent des Geländes sollen bebaut werden, der Rest soll eine offene Parklandschaft sein, die wie eine Erweiterung des angrenzenden Vanier-Parks wirken und so die Naturverbundenheit der Squamisch ausdrücken soll. Senakw solle ein Projekt werden, »auf das die Stadt, das Land und auch die Welt stolz sein könne: Guckt euch an, was für ein nach vorne denkendes Projekt diese indigene Community auf diesem Stück Land umgesetzt hat«, so Squamisch-Sprecher Sxwchalten Iy Xelsilem.
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