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Von Abschiebung bedroht
Kreis Schleswig-Flensburg will armenische Familie loswerden. Petition für Bleiberecht gestartet
Die Ausländerbehörde des Kreises Schleswig-Flensburg will eine vierköpfige Familie nach Armenien abschieben. Dabei leben die Hakobyans seit 22 Jahren in der 3500-Seelen-Gemeinde Oeversee bei Flensburg und sind bestens integriert. Die Nachricht hat eine Welle der Solidarität ausgelöst: Freunde und Bekannte haben auf der Plattform change.org eine Onlinepetition gestartet, in der sie ein Bleiberecht für die Familie fordern. Sie appellieren an die Kieler Landesregierung, an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und Landrat Wolfgang Buschmann (parteilos), die Abschiebung nicht zuzulassen. Binnen weniger Tage haben bereits 65 000 Menschen die Eingabe unterzeichnet.
Eigentlich war der Flug nach Armenien bereits für diese Woche reserviert, doch nun wurde die Abschiebung kurzfristig ausgesetzt; Vardan (63) und Karine Hakobyan (58) und ihre Kinder Hrachya (31) und Mariam (29) schöpfen wieder Hoffnung. Der Familie fällt ein Gesetzesverstoß bei ihrem Asylantrag 1998 auf die Füße: Sie hatte sich damals unter dem Namen Arushanjan registrieren lassen. Zudem folgten die Hakobyans seinerzeit dem Rat von Bekannten und gaben an, aus der umkämpften Region Berg Karabach zu stammen, obwohl sie bis zum Aufbruch nach Deutschland in Armeniens Hauptstadt Jerewan gelebt hatte.
Mariam Hakobyan, kurz vor dem Staatsexamen stehende Jura-Studentin, kündigte an, ihre Eltern im Falle ihrer Abschiebung begleiten zu wollen – selbst, wenn sie für sich ein Aufenthaltsrecht in Deutschland erstreiten könne. Ihrer Einschätzung nach kann sie genau wie ihr Bruder eigentlich nicht für einen Rechtsverstoß der Eltern belangt werden, weil sie damals noch ein kleines Kind war.
Die Ausländerbehörde findet jedoch, sie habe das Amt bereits mit Eintreten ihrer Volljährigkeit aufklären müssen, um selbst eine Chance auf ein Aufenthaltsrecht zu bekommen. Doch nach ihren Angaben weiß die 29-Jährige erst seit vier Jahren den echten Namen der Familie: 2017 wollte sie einen Antrag auf Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft stellen. Daraufhin offenbarten ihr die Eltern die Sache mit dem falschen Namen. Die ganze Familie wandte sich anschließend an die Kreisverwaltung und bekannte sich zu ihrer Verfehlung.
Gegen den Bescheid über die Ausreisepflicht haben die Hakobyans Widerspruch eingelegt. Nun muss das Verwaltungsgericht in Schleswig über das Schicksal der Familie entscheiden. Zu ihren Unterstützern zählt unter anderem der prominente TV-Moderator Klaas Heufer-Umlauf, der der Familie eine Berliner Fachanwältin vermittelte.
Landrat Buschmann gab der Ausländerbehörde indes Rückendeckung: Es könne keine andere Entscheidung geben, sagte er der Regionalpresse. Ein Bleiberecht für die Familie würde den Eindruck erwecken, dass »Identitätstäuschungen« hingenommen werden.
In Oeversee kann kaum jemand verstehen, dass eine Familie, von deren Mitgliedern niemand Sozialleistungen bezieht, das Land verlassen soll, das seit fast einem Vierteljahrhundert ihre Heimat ist. Bürgermeister Ralf Bölck (CDU) appellierte in einem Brief an die Ausländerbehörde, der Familie ein Bleiberecht zu gewähren – bislang vergeblich.
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