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Sexualisierte Gewalt - Die Büßer fehlen beim Bußgottesdienst
Ein Gottesdienst für Betroffene sexualisierten Missbrauchs in der Kirche in Köln stößt auf Kritik
Ein Meer weißer Kreuze prägte optisch den Gottesdienst, mit dem die katholische Kirche am Donnerstag Buße tun wollte. Der 18. November ist vom Europarat zum Europäischen Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch ausgerufen worden. In Köln sollte aus diesem Anlass nachgeholt werden, was so lange ausblieb: eine theologisch unterlegte Bitte um Entschuldigung für die zahlreichen Fälle sexualisierter Gewalt im Erzbistum. Schon vor zwei Jahren hatten Laienvertreter eine Bitte um Entschuldigung eingefordert. Die Katholische Nachrichtenagentur berichtete, »wegen der Vorgänge um Woelkis Missbrauchsaufarbeitung und der ›medialen Lage‹« sei die Messe zunächst lange nicht zustande gekommen. Kardinal Rainer Maria Woelki steht seit vielen Monaten in der Kritik, er habe die Aufarbeitung verschleppt. Der Vatikan untersuchte die Vorgänge in Köln. Die Konsequenz für Woelki: Bis zum Osterfest soll er sich besinnen. Im Klartext: bezahlter Urlaub für den höchsten Katholiken im Rheinland.
Als Woelkis Vertreter fungiert Weihbischof Rolf Steinhäuser. Er leitete auch den Gottesdienst am Donnerstag. Dabei wählte er durchaus deutliche Worte, sprach davon, dass er als »Chef der Täterorganisation Erzbistum Köln« zu den Besuchern spreche. Der Gottesdienst sei ein »Schuldbekenntnis«. Zu seiner eigenen Rolle sagte Steinhäuser: »Ich habe versucht, diese Kirche zu schützen. Ich habe die Betroffenen nicht im Blick gehabt. Das ist mein Versagen und meine Sünde.« Im Laufe der Veranstaltung kam es zu einer Reihe von Bitten um Verzeihung, aber auch zu seltsamen Momenten. So wurde zu Beginn ein Lied von Peter Bringmann-Henselder, Mitglied des Betroffenenbeirats im Erzbistum, vorgetragen. Der Text, in dem sexualisierte Gewalt sehr explizit geschildert wird, hatte das Potenzial, Betroffene zu verstören. Für Kritik dürfte auch sorgen, dass Steinhäuser über Woelki sagte, er wolle den Kardinal in Abwesenheit weder entschuldigen noch beschuldigen.
Dass der Gottesdienst unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, hatte schon im Vorfeld für viel Kritik gesorgt. 200 Gäste waren eingeladen worden, viele von ihnen Opfer sexualisierter Gewalt. Einige empfanden die Einladung in den Kölner Dom als Belastung. Der Theologieprofessor Joachim Windolph bezeichnete im WDR die Idee eines Bußgottesdienstes grundsätzlich als gut. Zur Ausgestaltung durch das Erzbistum äußerte er allerdings Kritik. Die Einladung vor allem der Opfer irritiere ihn sehr, »weil man sofort anfängt, darüber nachzudenken: Wer hat denn jetzt hier welche Schuld?« Wenn ein solcher Gottesdienst gefeiert werde, dann müssten doch vor allem jene eingeladen werden, »die zur Gruppe derer gehören, die zu Tätern wurden, und nicht die Opfer«, meinte Windolph. Doch die prominentesten Vertreter des Bistums und damit jene, die direkt für das Vertuschen und den Schutz von Tätern verantwortlich sind, blieben der Veranstaltung fern. Kardinal Woelki befindet sich für seine Auszeit im oberbayerischen Bistum Eichstätt. Weihbischof Dominik Schwaderlapp ist in Kenia und Stephan Heße noch immer Erzbischof von Hamburg, denn der Vatikan hat sein Rücktrittsgesuch bekanntlich abgelehnt. Demnächst muss Heße in Köln als Zeuge in einem Prozess gegen einen Priester aussagen, der des 31-fachen Missbrauchs beschuldigt wird. Schwaderlapp und Heße werden Pflichtverletzungen im Umgang mit Tätern und Opfern vorgeworfen.
Es wundert nicht, dass die katholische Reformgruppe »Maria 2.0« die Messe für Proteste nutzte. Sie wies auf die »Büßer in Abwesenheit« hin und nannte die Mächtigen in der Kirche »gewissenlos«. Bernadette Rüggeberg, Sprecherin von »Maria 2.0« im Rheinland, erklärte: »Wir demonstrieren, damit der bis heute schändliche Umgang mit den Betroffenen ans Licht der Öffentlichkeit kommt.« Sie sehe keine Ursachenbekämpfung in Bezug auf Machtmissbrauch, Sexualmoral und Männerbünde. Die bisherigen »sogenannten« Reformen blieben an der Oberfläche und dienten nur »dem Machterhalt der verantwortlichen Kleriker«. Die Initiative fordert eine unabhängige Aufklärung von durch katholische Geistliche verübten Straftaten und deren Vertuschung durch Vorgesetzte. In Köln steigt unterdessen der Reformdruck auf die Kirche: Allein in diesem Jahr gab es 20 000 Kirchenaustritte – ein neuer Rekord.
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