Die Corona-Hütte brennt

Berliner Linke fordert Rückkehr zum Wechselunterricht an den Schulen

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 4 Min.

Den Vorwurf, Berlin sei unvorbereitet in die vierte Corona-Welle gestolpert, wollte der noch Regierende Bürgermeister dann doch nicht auf sich sitzen lassen. »Ich glaube, wir haben nicht zu wenig Angebote, wir haben nicht zu wenig Impfstoff, zu wenig Infrastruktur. Wir haben zu viel Egoismus und Gleichgültigkeit. Das ist das Problem«, sagte Michael Müller (SPD) am Donnerstag in der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses.

Zuvor hatte SPD-Fraktionschef Raed Saleh in der Aktuellen Stunde des Parlaments zur Corona-Lage in der Hauptstadt freilich recht offen eingestanden, dass er von den massiv steigenden Infektionszahlen überrascht worden sei. »Wir alle hatten berechtigte Hoffnung, dass wir bei Corona aus dem Gröbsten raus sind«, sagte Saleh mit Blick auf den Sommer und damit die Wahlkampfzeit - wobei nicht ganz klar war, wen er mit »wir« meinte. Schließlich hatten etliche Experten schon damals vor der derzeitigen Situation gewarnt.

Angesichts der inzwischen erreichten Sieben-Tage-Inzidenz - am Donnerstag lag der Wert in Berlin bei 341 - waren sich nahezu alle Rednerinnen und Redner einig, dass die Lage ernst und schnelles Agieren dringend geboten ist. »Es ist Zeit, zu handeln«, sagte Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel. Und: »Handeln heißt vor allem, alles zu tun, um die Impfquote zu erhöhen.« Ähnlich Linksfraktionschef Carsten Schatz, der erklärte: »Wir brauchen weiterhin gezielte Maßnahmen, um diejenigen zu erreichen, die sich bisher nicht impfen ließen.« CDU-Landes- und -Fraktionschef Kai Wegner warb dabei für eine groß angelegte Werbekampagne. Im Grundsatz sicherte er der amtierenden und wohl auch nächsten Koalition aus SPD, Grünen und Linken wenigstens in Sachen Pandemiebekämpfung die Unterstützung seiner Fraktion zu: »Die CDU ist zu jedem konstruktiven Schritt bereit.«

Ohne dass ihr Name im Laufe der Aktuellen Stunde explizit genannt wurde, stand zugleich insbesondere Noch-Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) und ihre Schulpolitik unter Beschuss. Kaum verwunderlich, liegt doch die Sieben-Tage-Inzidenz in den Altersgruppen der Schülerinnen und Schüler seit dieser Woche zum Teil bei Werten über 1000. So musste sich Scheeres von Linke-Politiker Carsten Schatz anhören, dass es komplett unverständlich sei, dass an den Schulen immer noch nicht flächendeckend Luftfiltergeräte zur Verfügung stehen.

Im Gegensatz zu den anderen Fraktionen, die sich mehr oder weniger offen für eine Aufrechterhaltung des Regelunterrichts aussprachen, plädierte Schatz für die zumindest teilweise Rückkehr zum Wechsel aus Distanz- und Präsenzunterricht. »Die Schulen sollten bis mindestens Weihnachten wieder zum Modell des Wechselunterrichts zurückkehren können, wenn sich die Schulkonferenz, die ja auch virtuell tagen kann, dazu verständigt«, so der Linke-Politiker. Auch müsse die vor den Sommerferien wieder eingeführte Präsenzpflicht erneut ausgesetzt werden.

Bildungssenatorin Scheeres machte in der anschließenden Fragestunde umgehend klar, was sie von den Forderungen der Linksfraktion hält: nämlich nichts. »Das hat solche immensen Auswirkungen«, verteidigte die SPD-Politikerin ihre ablehnende Haltung in der Frage von Präsenzpflicht- und Wechselunterricht. Als da wären: »Depressionen, soziale Probleme, Suchtprobleme, Spielsucht.« Daher bleibe sie bei ihrer Haltung: »Mein Ziel ist es, dass die Schulen offen bleiben.« Schulschließungen »können wir den Kindern nicht mehr antun«, erklärte Scheeres, die jugendlichen Schülerinnen und Schüler ebenso ignorierend wie den Umstand, dass Wechselunterricht noch einmal etwas anderes ist als komplett geschlossene Schulen.

Auch dem von Linke und CDU in seltener Einigkeit geforderten großflächigen Einsatz von PCR-Pool-Coronatests mochte Scheeres nichts abgewinnen. Denn: »Die Schulen finden die Schnelltests sehr gut.« Zudem brächten PCR-Tests wenig, »wenn man das logistisch nicht hinbekommt«, weil die Labore schlicht zu wenig Kapazitäten hätten, um die Pooltests zeitnah auszuwerten.

Der scheidende Regierende Michael Müller hatte sich und den Senat kurz zuvor hinsichtlich der Pandemiebekämpfung in Berlin noch für »die gute Infrastruktur« gelobt.

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